Pflegefachkraft Racky Bousso
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Allgäu GmbH, Sandra Geiger

Racky Bousso, Pflegefachkraft in der Seniorenbetreuung Altstadt in Kempten: „Man muss das mit Herz machen“

Im vierten und letzten Teil unserer Pflegeserie „Yes, we care!“ in Kooperation mit der Allgäu GmbH möchten wir euch Racky Bousso vorstellen. Sie ist seit 20 Jahren in Deutschland und seit zehn Jahren Pflegefachkraft. Während der Zeit hat sich viel verändert – für sie und für ihr Umfeld.

Autorin: Anke Roser

    Pflege mit Herz

    Die Gänge sind hell, am hinteren Ende leuchten hohe Berge von einer Panoramatapete. Es gibt Einzel- und Doppelzimmer, in einem wohnt ein Ehepaar. Im Aufenthaltsraum herrscht muntere Betriebsamkeit, denn es gibt Mittagessen. Alle Tische sind besetzt. Manche der Bewohner:innen von Station 2 der Seniorenbetreuung Altstadt im Herzen Kemptens essen genüsslich selbst. Andere benötigen Hilfe, „Essen eingeben“ nennen das die Fachkräfte.

    Eine davon ist Racky Bousso. Die 33-Jährige arbeitet seit zehn Jahren in dem Alten- und Pflegeheim zwischen Rathaus- und St. Mang-Platz. Und das mit großer Überzeugung und Leidenschaft. „Man muss das mit Herz machen“, sagt sie. „Wenn das Herz nicht da ist, ist man nicht richtig in dem Job, denn es geht um Menschen. Menschen, die einen dringend brauchen.“

    Sie wollte unbedingt einen pflegenden Beruf ergreifen, das war ihr schon als Kind klar. Damals wohnte sie noch im Senegal und plante Krankenschwester zu werden. „In meiner Heimat gibt es keine Altenpflege, da die Älteren zu Hause betreut werden, wir haben Mehrgenerationenhäuser“, berichtet sie. „Mit 13 Jahren kam ich nach Kempten. Meine Eltern und meine beiden Geschwister wohnen ebenfalls hier. Die Stadt ist meine zweite Heimat geworden. Auch wenn ich nicht so der Berg- und Sport-Typ bin und mit dem Winter meine Probleme habe, kann ich mir keine andere Stadt mehr zum Wohnen vorstellen. Und meine beiden Jungs sind echte Kemptener!“

    Racky in ihrer Alltagskleidung
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    Allgäu GmbH, Sandra Geiger

    Ein Beruf, der zur Familie passt

    Wie gut in ihrem Fall die Vereinbarkeit von Beruf und Familie klappt, macht Racky Bousso sehr glücklich. „Es ist großartig, wie entgegenkommend mein Arbeitgeber reagiert hat. Wir haben es so gelöst, dass meine Frühschichten von Montag bis Donnerstag erst um acht Uhr und nicht wie gewöhnlich um sechs Uhr anfangen. So kann ich meinen Vierjährigen in den Kindergarten und den Siebenjährigen in die Schule bringen und danach direkt zur Arbeit weitergehen.“ Dafür bleibt sie mittags bis 15 statt bis 13 Uhr und sorgt so für eine gewisse Flexibilität auf der Station.

    Freitags und am Wochenende, wenn ihr Mann für die Kinder da ist, arbeitet sie im normalen Schichtdienst, also morgens ab sechs Uhr oder abends bis 21 Uhr. Dann übernimmt sie auch die Schichtleitung, was bedeutet, dass sie Medikamente zusammenstellt, Mitarbeitende wie Pflegehelfer:innen und Praktikant:innen einteilt und für diese die erste Ansprechpartnerin ist. „Ich freue mich über jeden, den wir für ein Praktikum hier haben“, sagt Racky. „So bin ich damals in der Schulzeit auch darauf gekommen, dass der Job das Richtige für mich ist. Ich versuche die jungen Leute zu motivieren, denn wir brauchen dringend Nachwuchs. Glücklicherweise ist die Bezahlung inzwischen recht ordentlich, auch in der Ausbildung. Da sind viele positiv überrascht.“

    "Die alte Generation hat viele Stereotype im Kopf, wenn es um dunkelhäutige Menschen geht."

    Racky Bousso, Pflegefachkraft in der Seniorenbetreuung Altstadt in Kempten

    Herausforderungen und Chancen

    Was Racky Bousso während ihrer Ausbildung überrascht hat – allerdings eher im negativen Sinne – war die Reaktion vieler alter Menschen auf ihre Hautfarbe. „Die alte Generation hat viele Stereotype im Kopf, wenn es um dunkelhäutige Menschen geht. Und sicher auch eigene Erfahrungen, vielleicht mit amerikanischen Soldaten nach dem Krieg oder Ähnliches. Jedenfalls habe ich immer wieder unschöne Ausdrücke zu hören bekommen, eine Frau wollte mir sogar eine Ohrfeige geben. Jetzt, zehn Jahre später, gibt es bei der Mehrheit zum Glück nicht mehr so viele Vorurteile. Ich merke, dass die Leute offener werden und kann inzwischen an einer Hand abzählen, wie oft ich in den letzten Jahren beleidigt wurde.“

    Dennoch ist die Hautfarbe immer wieder Thema. „Oft hat das aber auch mit der Erkrankung Demenz zu tun“, vermutet Racky. „Da kommen sehr diffuse Ängste hoch, diese Erfahrung habe ich immer wieder gemacht.“ Um bestmöglich reagieren zu können und den Betroffenen insgesamt die Betreuung zu geben, die sie benötigen, hat Racky Bousso eine zusätzliche Ausbildung zur Geronto-Fachkraft absolviert und sich damit Spezialwissen zu psychischen Krankheiten wie Schizophrenie und zu Demenz angeeignet. „Bei der Pflege von Dementen sind wir noch mehr als sonst auf Hilfe und Input von den Angehörigen angewiesen“, erzählt sie. „Wir beschäftigen uns mit den Biographien der Betroffenen, um zu wissen, was sie früher besonders gerne getan oder gegessen haben und versuchen ihnen das immer noch ansatzweise zu ermöglichen.“

    Neben der reinen Pflege, also der direkten Unterstützung der alten Menschen, gehören auch viele organisatorische Themen zum Aufgabengebiet, etwa die Planung des Tages und das Evaluieren von Risiken. In der Seniorenbetreuung Altstadt gibt es jeden Tag ein Beschäftigungsangebot, hier unterstützen Therapeut:innen und Alltagsbegleiter:innen – außer am Wochenende. Organisiert werden müssen auch Medikamentenplanung und Dokumentation. Für beides gibt es inzwischen Computerprogramme. Wenn Auffälligkeiten zu beobachten sind, etwa eine Rötung, Schwellung oder Wesensveränderung, muss die Information sofort in die Akte. Nach den regelmäßigen Pflegevisiten mit der Pflegedienstleitung werden die Dokumente über die Bewohner:innen jedes Mal grundsätzlich überarbeitet. Dafür gibt es seit einiger Zeit einen reinen Bürotag pro Monat, der allerdings selten ausreicht.

    Racky im Gespräch
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    Allgäu GmbH, Sandra Geiger

    Bürokratie und Fachkräftemangel kosten Kraft

    „Nach zehn Jahren Pflege hatte ich vor ein paar Monaten einen Tiefpunkt“, erzählt Racky Bousso. „Ich habe mich intensiv gefragt, ob es wirklich das ist, was ich machen möchte. Denn es wird in der Pflege mit dem Fachkräftemangel ja immer anstrengender.“ Hinzu kommen Regelungen, die Racky manchmal fast verzweifeln lassen: „Ich bin Pflegefachkraft, brauche aber beispielsweise für eine einfache Heilsalbe eine Arztanordnung. Eine Krankenschwester im Krankenhaus hat das in der Schublade und darf den Patienten, wenn er wund ist, einfach versorgen. Hier hätte ich manchmal gern mehr Entscheidungsbefugnisse, statt tage- oder wochenlang einer Arztanordnung hinterherzujagen.“

    Racky Bousso sagt ganz ehrlich: „Ich weiß nicht, ob ich diese Arbeit bis zur Rente machen kann. Ich bewundere meine Kolleginnen, die das schon seit 40 Jahren tun, aus tiefstem Herzen. Ob ich selbst die Kraft habe, werden wir sehen. Aber mittelfristig habe ich jetzt erstmal eine Antwort auf meine Grübeleien in mir gefunden: Die Freude an meinem Job ist wieder vollständig zurückgekehrt.“

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    0831 Magazin

    • Kampagne "yes, we care!"

       “yes, we care!” präsentiert Menschen aus dem Allgäu, die leidenschaftlich gerne in der Pflege arbeiten. Laura Bolz ist als Auszubildende zur Pflegekraft Teil dieser Kampagne. 

      In den kommenden Monaten werden unter dem Motto “yes, we care” weitere Beiträge und Porträts erscheinen, die einen Einblick hinter die Kulissen des Pflegeberufs im Allgäu geben werden #staytuned

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