Christian Lesser arbeitet als Stationsleiter im BKH Kempten
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Allgäu GmbH, Sandra Geiger

Christian Lesser, Stationsleiter im BKH Kempten

In Teil zwei unserer Pflege-Serie „Yes, we care!“ stellen wir euch in Kooperation mit der Allgäu GmbH Christian Lesser vor. Er ist Stationsleiter im Bezirkskrankenhaus Kempten (BKH). Als Pflegekraft für psychisch kranke Menschen hat er vor allem zwei Fähigkeiten perfektioniert: Vertrauen aufbauen und Grenzen setzen.

Autorin: Anke Roser

    „Ich glaube, Sie sind der strengste Pfleger hier auf Station. Aber weil Ihre Grenzen so transparent sind, weiß ich, woran ich bin und komme gern, wenn ich Unterstützung brauche.“ Mit diesen Worten beschrieb vor einiger Zeit ein Patient sein Verhältnis zum Stationsleiter der Station P0 Ost, Christian Lesser. Der freut sich noch immer extrem über diese Worte – denn genau so möchte er arbeiten: Klar in der Sache und gleichzeitig nahe an den Patient:innen.
    Die Station, die er betreut, ist eine von zwei allgemeinpsych-iatrischen Stationen im BKH. Die halbe Station ist offen, hier können die Patient:innen eigenständig den Bereich und sogar das Haus verlassen. Die andere Hälfte ist ein geschlossener Bereich. „Unsere Patientinnen und Patienten sind beispielsweise depressive Menschen“, erzählt Christian Lesser. „Oder manische Patienten – was mehr oder weniger das Gegenteil ist. Wir haben Menschen mit wahnhaften Erkrankungen. Wir haben Patienten mit Intelligenzminderung. Wir haben Menschen mit suizidalen Tendenzen, mit Persönlichkeitsstörungen, mit selbstverletzendem Verhalten. In Summe also ein sehr großes, umfangreiches Fachgebiet.“

    Von der Bundeswehr zur Pflege

    Christian Lesser war nicht immer Krankenpfleger. Nach der Schule lernte er zunächst Maler und arbeitete auf dem Bau. Dann ging er zur Bundeswehr und verpflichtete sich als Soldat auf Zeit für acht Jahre – von denen er die letzten drei in Kempten verbrachte. Danach nutzte er den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr. „Man konnte sich für eine Ausbildung entscheiden, die dann gefördert wurde“, erinnert sich Christian Lesser. „Ich habe einfach geschaut, was in Kempten angeboten wird und mich breit beworben – vom Industriemechaniker bis zum Altenpfleger.“ Die Wahl fiel auf eine Ausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger an der Berufsfachschule und dem Klinikum Kempten. 

    "Für mich war klar: ich gehe nach der Ausbildung ans BKH."

    Christian Lesser, Stationsleiter im BKH Kempten

    Während der dreijährigen Ausbildung hatte er erstmals Kontakt mit dem Bezirkskrankenhaus. Es ist direkt an das Klinikum angegliedert und über dessen Haupteingang zu erreichen, hat aber eine eigene Führung und Trägerschaft. Durch die enge Zusammenarbeit der beiden Häuser kam Christian Lesser für sechs Wochen auf die Suchtstation. „Dort habe ich ein anderes Arbeiten in der Pflege kennengelernt. Ein Arbeiten, das darauf ausgerichtet ist sich für den einzelnen Menschen Zeit zu nehmen und ihn ganzheitlich zu betrachten. Deswegen war für mich klar: Ich gehe nach der Ausbildung ans BKH.“ 
    Das Bezirkskrankenhaus Kempten, ein modernes Gebäude mit Blick auf die Berge, umfasst neben diversen ambulanten Angeboten sechs Stationen mit etwa 120 Betten. Rund 250 Menschen sind hier beschäftigt: Ärzt:innen, Therapeut:innen und Pfleger:innen in den Bereichen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik. „Das Besondere ist: Wir arbeiten total auf Augenhöhe in sehr flachen Hierarchien. Als Auszubildende fanden wir es schier unglaublich, dass man einen Oberarzt einfach so etwas fragen konnte, das kannten wir nicht. Noch immer nehme ich das Umfeld als extrem wertschätzend wahr.“

    Keine Behandlung nach Schema F

    Auf die Frage, was für ihn so spannend ist an der Arbeit mit psychisch Kranken, antwortet Christian Lesser ohne nachdenken zu müssen: „Das Verschiedene. Bei einem gebrochenen Arm gibt es je nach Fraktur ein klares Standard-Vorgehen. Bei uns dagegen ist jeder Fall anders und kaum prognostizierbar. Oft werden verschiedene Medikamente und Therapien ausprobiert. Und wir sehen sehr unterschiedliche Entwicklungen. Menschen, die neu kommen, reden oft nicht mit uns, weil sie eigentlich nichts von uns wissen wollen und es schlimm finden da sein zu müssen. Nach ein paar Tagen oder Wochen wird der Kontakt weicher, die Leute lassen mehr zu. Dann kann man mit ihnen Fußball spielen, spazieren gehen und über ganz normale Themen reden, weg von der Krankheit. Und wir können Alltagstraining machen, etwa gemeinsam kochen inklusive einkaufen, schnippeln, abwaschen und zusammen essen. So etwas zu begleiten ist toll.“
    Ein ganz besonderes Erlebnis für ihn selbst war die Ernennung zur Stationsleitung vor knapp drei Jahren. „Ich habe mich wahnsinnig gefreut, vollumfänglich die Verantwortung für die etwa 20 Mitarbeitenden in der Pflege zu übernehmen – auch wenn das jetzt deutlich mehr Organisation bedeutet als zuvor. Früher war die Arbeit näher am Patienten. Außerdem habe ich in drei Schichten gearbeitet und hatte dadurch gefühlt mehr frei.“ Jetzt hat Christian Lesser immer Tagdienst und begleitet die Visiten. Außerdem kümmert er sich um die Dienstpläne, die in der Regel vier bis sechs Wochen vor Monatsbeginn fertig sind und stets möglichst viele Wünsche der Kolleginnen und Kollegen berücksichtigen.

    Christian Lesser ist Stationsleiter im BKH Kempten
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    Allgäu GmbH, Sandra Geiger

    Feingefühl gefragt

    Doch egal ob Führungsposition oder nicht: „Das Wichtigste bei uns ist die Beziehungsarbeit“, findet der Stationsleiter. „Es gibt viele Patienten, die ein unheimliches Misstrauen haben. Manche kommen gegen ihren Willen, einige werden von der Polizei gebracht. Dann ist es oft besonders schwierig an die Menschen heranzukommen.“ Und manchmal auch gefährlich. Verbale und körperliche Gewalt sind immer wieder ein Thema in der Psychiatrie. „Zum Glück hat sich die Haltung dazu geändert. Bei Bedrohungen und Beleidigungen hieß es lange: Naja, der ist halt krank. Inzwischen ist die Ansage von oben: Null Toleranz gegenüber Gewalt. Ihr müsst das nicht aushalten, das gehört nicht zu eurem Berufsbild.“

    Heute liegt der Fokus auf einem professionellen Deeskalationsmanagement, das klare Grenzen setzt und Frühwarnsignale erkennt. Christian Lesser ist hier federführend mit dabei: „2021 habe ich mich zum Deeskalationstrainer für Forensik und Psychiatrie weiterqualifiziert und bin mit Kollegen nun zuständig für das gesamte Deeskalationsmanagement im BHK. Dazu gehören Schulungen, Besprechungen und auch kollegiale Nachbereitungen, wenn jemand einen Übergriff hatte. Wir schulen das ganze Haus. Das hat unheimlich Fahrt aufgenommen. Jeden Monat haben wir Refresher für Haltetechniken, Flucht- und Abwehrtechniken, Begleittechniken oder verbale Deeskalation. Das sorgt für Sicherheit bei allen Beteiligten.“ Und dafür, dass es Christian Lesser nie langweilig wird.

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