Kuh auf der Weide frisst Gras
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Allgäu GmbH, Andi Mayr

Frühlingsluft und Weideaustrieb

Der Winter war heuer mild. Deshalb dürfen die Kühe schon viel früher als sonst auf die frisch-grünen Wiesen rund um den Biohof Schwärzler in Dottenried bei Kempten. Vom Stall auf die Weide – wir waren beim Austrieb dabei.

    Idylle pur: Ganz ruhig liegt der Hof an diesem lauen Morgen im April, ein bisschen diesig noch, aber es wird sonnig werden. Aus dem Stall neben dem Wohnhaus schauen zwei Kälbchen mit großen Augen heraus, es ertönt ein Scheppern. Walter Schwärzler ist gerade mit dem Melken fertig geworden. Jetzt steckt er noch den Zaun auf der Weide gegenüber um.

    Landwirt Walter Schwärzler beim Umzäunen der Weide
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    Zu Besuch auf dem Schwärzler-Hof. Walter Schwärzler steckt den Zaun noch um, bevor die Tiere auf die Weide dürfen.

    Schwärzler Hof Drohnenaufnahme von oben
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    Der Schwärzler-Hof ist über 100 Jahre alt. Die kurzen Wege erleichtern die Arbeit: Rund um Stall und Wohnhaus gibt es genügend Weideflächen. Das Ziel ist eine hohe Grundfutterverwertung.

    „Der Winter war so mild, dass das Gras jetzt schon fett und grün ist. Deshalb sind meine Kühe schon Tag und Nacht draußen. Eine kurze Übergangszeit ist wichtig. Denn wenn die Kühe nach fünf Monaten Heu plötzlich nur Gras fressen, ist das zu viel für ihren Pansen. Junges Gras enthält viel Roh-Eiweiß, was überlastet, übersäuert und so den Tieren nicht gut bekommt“, erklärt der Landwirt. Nur zum Melken kommen sie morgens und abends in den Stall, wo sie zusätzlich Heu fressen können. Aber jetzt wollen die Tiere wieder hinaus. Der 57-Jährige bindet sie los und öffnet die Stalltür.

    Weideaustrieb auf dem Schwärzler Hof
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    Für die 15 Kühe geht es nun hinaus auf die Weide

    Landwirt Walter Schwärzler steht im Stall
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    Von der Stallwärme geht es hinaus in die kühle Frühlingsluft. Walter Schwärzler ist Landwirt aus Überzeugung. Er und sein Betrieb sind auch Partner der Öko-Modellregion Oberallgäu Kempten.

    Ganz gemächlich laufen die 15 behornten Braunvieh-Kühe schön der Reihe nach und ohne Gerangel über den kurzen Weg auf die Weide, schnurstracks ins neue hohe Gras. Scheinbar wahllos rupfen sie die Gräser ab, doch sie selektieren durchaus. Ihr Geruchssinn ist 15-mal intensiver als unserer. Wilde Möhre, Ruchgras, Wiesenschaumkraut … kaum zupft Walter Schwärzler ein paar Halme ab, reckt Kuh Emilie neugierig ihren Kopf vor. Vielleicht gibt’s hier was Besseres zu fressen? Liebevoll drückt der Landwirt die Kuh zur Seite weg.

    „Abrupfen ist besser als das Gras ständig akkurat kurz abzuschneiden. Wiederkäuer-gerechtes Futter sollte vier Zentimeter lang sein, strukturreich mit Blättern und Halmen sowie ein Mix aus alten und jungen Gräsern. Die Kuhfladen düngen zwar nur lokal sehr begrenzt, aber locken Vögel, Käfer und Würmer an – ein Glücksfall für die Biodiversität.“ Grünland gilt zudem auch als wichtiger Speicher von Kohlendioxid, ebenso wie die Moore, und ist damit bedeutend für den Klimaschutz.

    Kuh auf der Weide frisst Gras
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    Über ihren Geruchssinn selektieren Kühe die Gräser. So entsteht ein guter Mix aus jungen und alten Pflanzen Das Gras weiden die Kühe ab, dann darf es in Ruhe aus eigener Kraft nachwachsen. Wie schnell das passiert, hängt vom Wetter ab.

    Landwirt Walter Schwärzler erklärt Grünlandwirtschaft
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    Landwirt Walter Schwärzler hat das große Ganze im Blick. Er pflegt Hecken und Büsche im Grünland und am Waldrand, als Lebensraum für viele Tiere.

     

    Dazu gehört für den 57-Jährigen aber auch, den Hofkreislauf so geschlossen wie möglich zu halten. Im Sommer wächst das Futter auf der Weide, im Winter gibt es das eigene Heu. Einzig Stroh als Einstreu kauft er zu. Er trennt den Harn, produziert nur Festmist und baut dadurch Humus auf. Der Austrieb auf die Weide muss also wohl überlegt sein: „Zu früh im Frühjahr darf ich sie nicht herauslassen, sonst reicht die erste Weidefläche nicht aus. Dann müsste ich auf Flächen ausweichen, die ich lieber mähen würde. Dann wiederum würde mir der erste Grasschnitt fürs Winterfutter fehlen.“

    Die Schwärzlers sind Pioniere im Allgäu, schon seit über 30 Jahren betreiben sie ihren demeter-Biohof mit Kombinations-Haltung. Bei der Kombi-Haltung werden die Kühe im Stall fixiert. Sie dürfen dafür von April bis November, zum Teil Tag und Nacht, auf die Weide. Bio-Betriebe lassen ihre Kühe im Winter zusätzlich zweimal in der Woche auf einen Laufhof. Diese Art der Tierhaltung ist zeit- und arbeitsintensiv. Auch wenn das Vieh wie jetzt auf den Weiden rund um den Hof ist, muss immer jemand da sein: um die Kühe rechtzeitig auf neue Weideflächen zu lassen, Wasserfässer aufzufüllen, beim Kalben zu helfen, morgens und abends zum Melken in den Stall und danach wieder auf die Weide zu treiben, Zäune zu richten, Gras zu mähen, Obstbäume zu schneiden, Reparaturen zu erledigen.

    Allgäuer Kuh auf der Weide mit Gras im Maul
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    Kühe grasen auf der Weide im Allgäu
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    Der Hof umfasst zehn Hektar eigenes und gute drei Hektar gepachtetes Land. Die Flächen reichen aus, um genügend Futter für die 15 Kühe samt Jungtieren zu produzieren.

    Für Susanne und Walter Schwärzler ist dies selbstverständlich, sie schaffen gerne mit vollem Einsatz. Was ihnen jedoch oft fehlt, ist die Wertschätzung ihrer Arbeit in der Gesellschaft. Oft steht diese traditionelle Art der Milchviehhaltung mittlerweile in der Kritik. Der Ruf zum Beispiel, stattdessen einen modernen Laufstall einzurichten, wird lauter. Dadurch droht vielen bäuerlichen Familienbetrieben das Aus. Die Gründe: zu wenig Platz, zu hohe Kosten. Das wiederum hat Folgen, vor allem am bayerischen Alpenrand mit seiner besonderen Weidewirtschaft. Im Oberallgäu würde zum einen die traditionell gewachsene Struktur zerstört werden, zum anderen würde sich auch die Kulturlandschaft und das Landschaftsbild verändern. Davon würde unter anderem auch der Tourismus tangiert. Die Landschaftspflege wäre ebenfalls nicht mehr gewährleistet, das Grünland würde zuwachsen und verbuschen.

    Walter Schwärzler weiß, wovon er spricht. Er ist quasi schon immer Landwirt aus Leidenschaft. Mit 19 Jahren hatte er sich ganz bewusst und mit der Unterstützung seiner Frau dafür entschieden, den Hof von seinem Vater zu übernehmen. Ob nun eines ihrer vier erwachsenen Kinder, die mittlerweile alle wieder in Dottenried wohnen, den Schwärzler-Hof eines Tages weiterführt, ist ungewiss. Walter und Susanne jedoch sind überzeugt von ihrem Tun. Mit viel Liebe, Respekt und Achtsamkeit gegenüber Natur und Tier erschaffen sie Milch und Fleisch als hochwertige Lebensmittel. „Mittel zum Leben“ für und in einer lebendigen, artenreichen Grünlandwirtschaft.

    • Info-Kasten: Grünland in Zahlen

      Die Öko-Modellregion Oberallgäu-Kempten, das sind der Landkreis Oberallgäu und das Stadtgebiet Kempten, umfasst 70.000 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche, 99 Prozent davon ist Grünland. Es gibt etwa 2450 landwirtschaftliche Betriebe, davon sind rund 650 Bio-Betriebe. 40 Prozent der Landwirte bewirtschaften ihren Hof im Nebenerwerb, wie auch Familie Schwärzler. Im Schnitt haben die Betriebe eine Größe von 30 Hektar und etwa 38 Milchkühen. Die Hälfte der Betriebe, und damit 28 Prozent der Kühe, praktizieren die Anbinde(Kombi)haltung. Mit bis zu 35 Tieren ist sie noch erlaubt.

    • In Kooperation mit der Öko-Modellregion Oberallgäu-Kempten

    Walter Schwärzler ist Landwirt im Allgäu
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    Walter Schwärzler erklärt auf der Weide Grünlandwirtschaft

    Schafe auf dem Schwärzler Hof im Allgäu
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    Auch Schafe, Hühner und Enten wohnen auf dem Schwärzler-Hof

    Original Schweizer Braunvieh
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    Original Schweizer Braunvieh

    Kühe auf der Weide
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    Das erste Gras im Jahr.

    Das Horn der Kuh wächst immer weiter - jede Rille am Horn bedeutet ein Kalb
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    Das Horn wächst immer weiter. Jede Rille bedeutet ein Kalb.

    Der Schwärzler Hof aus der Vogelperspektive
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    Der Schwärzler Hof aus der Vogelperspektive

    Detailaufnahme einer Kuhweide im Allgäu
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    Detailaufnahmen von Gras.

    Hörner einer Kuh
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    Die Anatomie eines Kuhhorns

    Kälbchen im Stall
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    Die Kälbchen bleiben im Stall, die Jungtiere sind im Auslauf

    Kuh frisst Gras auf Weide im Allgäu
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    Die Tiere vom Schwärzler-Hof sind zutraulich & ruhig

    Kuhfladen als Dung auf der Weide
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    Die Kuhfladen bleiben als Dung auf der Weide liegen

    Kuh frisst Gras auf der Weide
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    Einmal mit der Schnauze ins frische Gras.

    Idylle auf dem Schwärzler Hof im Allgäu mit Kühen
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    Idylle auf dem Schwärzler Hof.

    Kuh auf dem Weg zur Weide
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    Kuh auf dem Weg zur Weide.

    Allgäuer Kuh auf der Weide mit Gras im Maul
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    Kuh mit Gras im Maul auf dem Weg zur Weide.

    Landwirt Schwärzler beim Umzäunen der Weide
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    Landwirt Schwärzler beim Umzäunen

    Kühe fressen auf einer Weide
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    Nach dem Fressen trinken die Kühe vom Fass und legen sich zum Wiederkäuen hin.

    Kuhfladen auf der Weide
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    Ökosystem Kuhfladen.

    Saharastaub über dem Schwärzler Hof
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    Saharastaub über dem Oberallgäu.

    Landwirt Walter Schwärzler auf der Weide
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    Walter Schwärzler auf der Weide.

    Walter Schwärzler im Stall
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    Walter Schwärzler im Stall

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    Silke Lorenz

    Die Autorin

    Silke Lorenz

    Von Franken über Niederbayern und Baden ins Allgäu, von Tageszeitungen und Verlagsarbeit über Frauenmagazine zur freien Journalistin: Seit über zehn Jahren bin ich jetzt im Oberallgäu daheim und entdecke immer aufs Neue tolle Menschen, alte Handwerkskünste, faszinierende Orte – und immer wieder sprachliche Schätze im Allgäuer Dialekt, die mein Germanisten-Herz erfreuen :-). Ich hoffe, Sie haben genauso viel Spaß beim Lesen meiner Geschichten wie ich beim Recherchieren derselbigen. Frohes Schmökern!