„Ich bin ein Füssener Ur-Vieh“, sagt Richard Hartmann und lacht über den kraftvollen Vergleich. „Ich bin hier in der Gegend groß geworden.“ Da vorn, er zeigt unbestimmt die Gasse hinab, da war früher ein Wagner. Bei dem hat er als Kind immer Sägespäne geholt, als Einstreu für seine Kaninchen. Dennoch wurde dem jungen Mann, der er einst war, Füssen zu eng. Es zog ihn hinaus. Erst nach München. Wo er eine Ausbildung als Hotelkaufmann machte und als Event-Manager arbeitete. Dann in die Welt. „Ich habe hochkarätig besetzte Veranstaltungen organisiert, für die gräfliche Familie auf Mainau gearbeitet und für die Bayerische Staatsoper.“ Bis es ihn irgendwann wieder zurück zog. Jetzt sitzt er auf einer Bank vor einem Ladenlokal voller Bücher, Schriften, Devotionalien, Nachlässen, Kunstwerken – Allgäuer Alltagskultur.
Tradition und neue Perspektiven
„Griaß di“, „Servus“, „Na, mein Guater“ – während wir auf der Bank sitzen und sprechen, kommen ständig Leute vorbei, die den Gründer des Heimatwerks grüßen. Immer wird ein kurzer Plausch gehalten. Und so dehnt sich die Zeit. Dabei erweist sich die Bank als Kommunikationszentrum nicht nur für Belanglosigkeiten. Sondern auch für Projekte und Politik, wenn es um einen Gottesdienst geht oder um einen anstehenden Festakt. Und so erfahren wir auch von den großen Plänen. Das gemeinnützige Allgäuer Heimatwerk entwickelt derzeit ein mögliches Nutzungskonzept für ein Kultur-Café in einem historisch wertvollen Haus in der Füssener Altstadt. Es soll daraus ein neues Zentrum für zeitgenössische Heimatliebe entstehen. Denn das ist Hartmanns Anspruch: Der Tradition den Kitsch auszutreiben und die Tümelei. Hartmann, der sich selbst einen „liberalen Traditionalist“ nennt, will motivieren, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen. Und er stellt fest, dass sich viele dafür interessieren. „Es darf nicht passieren, dass der Begriff Heimat von stark konservativen Strömungen missbraucht wird. Auch ich liebe meine Heimat, ohne deswegen gleich als stramm Konservativer gelten zu müssen.“