Im ersten Moment fühlen wir uns ein wenig wie in Stanley Kubriks Film „Shining“. Die Tür öffnet sich, wir betreten das Hotel am Alatsee. Doch niemand scheint da zu sein. Im leeren Restaurant ist ein Tisch gedeckt, in der leeren Küche kocht etwas auf dem Herd. An der unbesetzten Rezeption leuchtet ein Monitor. Wir rufen. „Hallo.“ Niemand antwortet. Stumm schaut eine Jagdtrophäe von der Wand über dem blutroten Teppich. Der Topf köchelt jetzt energischer. „Halllloooo!“ Als uns geantwortet wird, zucken wir zusammen. „Ich war kurz oben“, sagt Janos Kemmler, „die Zimmer checken.“
Auf dem Teller ein Stück Fleisch vom Almochsen – wie ein Gemälde
Ein Wochentag in der Nebensaison. Janos hatte uns gebeten, am frühen Nachmittag zu kommen. Dann seien die Mittagsgäste bereits weg, die Kaffeegäste noch nicht da. Und er hätte ein paar Minuten, sich mit uns zu unterhalten. Dass erneut ein Sturm über das Land hinweg ziehen würde, dass nach der Unwetterwarnung – „Es kann zu Ast-Abbrüchen und Baumstürzen kommen!“ – sich kaum noch jemand in das Waldgebiet am Alatsee wagen würde, das konnte man zum Zeitpunkt der Verabredung nicht wissen. So sitzen wir nach einer herzlichen Begrüßung durch den Gastgeber allein im Restaurant. Eine langjährige Mitarbeiterin kellnert, leistet mal dem Koch, mal uns Gesellschaft.
Unser Essen beginnt mit frischem Walnussbrot, dazu Butter und Öl. Dann wird uns ein Kartoffel-Süppchen serviert, cremig, würzig, mit einem crispy gebackenen Scheibchen Speck darin wie eine Seerose. Als Hauptgericht ragt dann ein Steak vom Almochsen vor uns vom Teller auf wie eine der Felswände, der sich hinter dem See erhebenden Vilser Alpen. Das Fleisch ist unfassbar zart, aromatisch eine Wucht. Es wird begleitet von bissfesten Erbsschoten und kross gebratenen Kartoffelscheiben. Und selbst bei der kleinen Dessert-Spielerei, die fein das Menü abschließt, fragen wir uns nur, was ist wohl das Geheimnis des Steaks?
Wenn der Laden brummt, geht um 4 Uhr morgens der Wecker
„Das Fleisch vom Almochsen bekommen wir aus Österreich“, sagt Janos. Er hat sich nach der Arbeit zu uns gesetzt – und tapfer unser Lob ertragen. Vor sieben Jahren haben Miriam Huber und er das Hotel am Alatsee gepachtet. Ein Working-Couple, inzwischen mit 3 Kindern gesegnet. Die beiden stammen aus der Gastronomie, sie haben beide in Sterne-Küchen gearbeitet und sich nach mehr Leben gesehnt. Davon gibt es hier nun mehr als genug: 12 Hotelzimmer, 120 Restaurantplätze in zwei Sälen, 120 weitere Plätze auf der Terrasse. Wenn im Sommer der Laden brummt, geht um 4 Uhr morgens der Wecker an, die letzte Bestellung wird um 21 Uhr angenommen.
Viele Gastro-Experten sagen ja, ein Ausflugslokal zu übernehmen, ist der Anfang vom Ende für Kreativität in der Küche. Im Sturm der Bestellungen kann man nur noch reagieren. Doch Janos und sein Team kochen mit Anspruch. Das spüre man inzwischen sogar bei den Lieferanten. Die Qualität der Produkte werde besser. „Beim Fleisch hapert es noch“, sagt der muskulöse Koch im weißen T-Shirt. „Vor kurzem habe ich in Spanien gegessen. Steaks von Milchkühen, die man lange hat reifen lassen. Es war großartig.“ Aber wir sind auf einem guten Weg. Der Zuspruch der Gäste stimmt jedenfalls. „Heute ist es ein wenig wie im Film `Shining´“, sagt Janos und lacht. „Aber ich habe mich hier nie einsam gefühlt.“