Kulinarisches Brauchtum
Märchen, Legenden, Bräuche: Brauchtum und Kulinarik sind im Allgäu fest miteinander verwoben. Auf historischen Festen in der Region trifft man daher auch immer auf besondere Spezialitäten.
Allgäu GmbH
Märchen, Legenden, Bräuche: Brauchtum und Kulinarik sind im Allgäu fest miteinander verwoben. Auf historischen Festen in der Region trifft man daher auch immer auf besondere Spezialitäten.
Hier findest du Hintergründe und Geschichten zu den Funkenküchle, die am ersten Sonntag der Fastenzeit zum Funkenfeuer gebacken werden, dem Memminger Mau, einem Traditionsgebäck in Form eines Mondes, der Palmbreze, einer besonderen, süßen Variante der Breze und dem Osterkorb.
Ein festlicher Brauch, der vielerorts im Allgäu bis heute gelebt wird: Die Speisenweihe in der Osternacht. Die Gläubigen bringen einen liebevoll vorbereiteten Osterkorb mit in die Kirche. In ihm liegen traditionell gekochte Eier, Brot, Butter, Fleisch, Salz und das gebackene Osterlamm – hinter jedem dieser Lebensmittel steckt dabei eine besondere Bedeutung.
Viele dieser Speisen wurden in der Fastenzeit bewusst gemieden – sie gehören deshalb ganz selbstverständlich zur österlichen Segnung. Der Inhalt der Körbe variiert von Region zu Region. Heute legen viele Familien auch Lebensmittel hinein, auf die sie individuell verzichtet haben – etwa Schokolade, Wein oder andere besondere Leckereien.
Regional und bewusst genießen
Besonders schön: Der Osterkorb lässt sich wunderbar mit regionalen Produkten füllen. Eier, Schinken oder Butter vom Landwirt oder Direktvermarkter nebenan, frisches (Oster-)Brot von einem Allgäuer Bäcker und ein vielleicht sogar ein selbstgebackenes Lamm – so wird der Brauch nicht nur persönlich, sondern auch nachhaltig.
Die gemeinsame Vorbereitung wird dabei für viele Familien zur liebevollen Tradition – eine schöne Gelegenheit, mit Kindern über den Sinn von Ostern zu sprechen, Heimat und Herkunft wertzuschätzen und bewusst zu genießen. So wird die Feier des Lebens auch zu einem Fest der Dankbarkeit und Verbundenheit.
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Die Palmbreze, auch „Palmzopf“ genannt, ist eine besondere Variante der Breze, die ihren Ursprung vor allem in Süddeutschland und Österreich findet. Sie wird traditionell zum Palmsonntag, dem letzten Sonntag vor Ostern, aus süßem Hefeteig hergestellt. Früher wurde sie häufig auch von Tanten oder Paten für ihre Patenkinder gebacken. Statt des üblichen Roggenmehls verwendete man das teurere weiße Weizenmehl, und anstelle von Salz wurde die Breze mit Zucker bestreut – eine besondere Geste der Wertschätzung.
Eine Breze mit langer Tradition
Woher die Breze genau stammt oder wer sie zuerst erfunden hat, lässt sich nicht mehr eindeutig nachweisen. Dazu gibt es zahlreiche Legenden und Sagen. Sicher sagen lässt sich allerdings, dass Brezen zu den ältesten religiösen Backwaren überhaupt zählen. Bereits im Mittelalter wurden in Klöstern als Fastenspeise Brezen gebacken – damals noch aus einfachen Zutaten wie Mehl, Wasser und Salz. Ihre besondere Form sollte dabei an verschränkte, betende Hände erinnern. Später, als sich die Traditionen etwas veränderten, entwickelten sich daraus auch süße Varianten, die speziell zu kirchlichen Festen wie Weihnachten oder auch dem Palmsonntag gebacken wurden.
Symbolik und religiöser Hintergrund
Der Palmsonntag erinnert an den feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem, bei dem er mit Palmzweigen empfangen wurde. In katholischen Regionen ist es Brauch, an diesem Tag Palmbuschen oder Palmzweige binden und segnen zu lassen. Auch im Allgäu hat der Palmsonntag bis heute eine besondere Bedeutung und markiert zugleich den Beginn der Karwoche. Die Palmbreze wird hierbei als essbares Symbol dieser Tradition gesehen und bleibt ein wichtiges Element des österlichen Brauchtums und verbindet so Genuss mit Tradition.
Die Breze wird vor dem Backen händisch eingeschnitten, sodass ihr typisches Muster entsteht. Das Äußere und die Form sollen auf diese Weise an die Palmzweige erinnern.
Ein gelebter Brauch im Allgäu
Wir waren zu Besuch bei der Bäckerei Speiser in Kempten und durften Andreas Speiser bei der Herstellung des Traditionsgebäcks über die Schulter schauen. Als geprüfter Brotsommelier liegt es ihm besonders am Herzen, alte Back-Traditionen zu wahren.
Ob als Teil der kirchlichen Feierlichkeiten oder als süße Leckerei – die Palmbreze bleibt eine besondere Spezialität, die ihre historische und symbolische Bedeutung bewahrt.
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Andreas Speiser; Brotsommelier und Geschäftsführer der Bäckerei Speiser, einem Allgäuer Bäcker
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Palmbrezen werden aus süßem Hefeteig hergestellt.
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Durch das Einschneiden erhalten die Brezen ihre typische Form.
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Vor dem Backen werden die Brezen mit Hagelzucker bestreut.
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Andreas Speiser bei der Herstellung der traditionellen Palmbrezen.
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Die fertigen Palmbrezen, frisch gebacken aus dem Ofen
Die süßen Hefeteigscheiben haben ihren Namen vom Funkensonntag. Das ist der erste Sonntag der Fastenzeit, an dem im Allgäu die „Funken“ entzündet werden, um den Winter zu vertreiben und den Frühling zu begrüßen. Die „Funken“ sind die traditionellen Funkenfeuer, die von vielen Allgäuer Orten entzündet werden. Dabei werden Strohhaufen oder geschichtete Holztürme entzündet, die oftmals eine imposante Größe erreichen können.
Der Ursprung des Funken-Brauchs, den es nicht nur im Allgäu gibt, ist unklar. Manche vermuten einen historischen Zusammenhang mit der schwäbisch-alemannischen Fastnacht und dem christlichen Jahresverlauf. In der Zeit vor der Fastenzeit feierte man nochmals ausgiebig mit Speis und Trank, da während der Fastenzeit vor allem auf Fleisch und auch auf Schmalz verzichtet wurde. Trotz der Fastenzeit wurde am Funkensonntag daher noch einmal so richtig fettig gegessen.
Der Funkensonntag hielt auch Einzug in alte Allgäuer Bauernregeln:
Die Funkenküchle selbst gelten als Traditions-Gebäck der schwäbisch-alemannischen Küche, weshalb sie besonders auch im süddeutschen Raum verbreitet sind. Die Gebäckart selbst ist dabei nicht nur im Allgäu geläufig: Je nach Region unterscheidet sich die Zubereitung und auch der Name variiert. Im Altbaierischen sind es „Auszogne“ und im Fränkischen sind es die Kerwa Kiachl. Im Norden Schwabens gibt es die „Rieser Kiachle“. Dort werden die süßen „Scheiben“ seit jeher zu Familienfesten gereicht.
Die Küchle bestehen aus reinem Hefeteig und werden in heißem Fett ausgebacken. Damit sie ihre typische Form bekommen, werden diese mit den Händen oder manchmal sogar übers Knie ausgezogen, sodass sich außen ein starker fingerdicker Rand bildet, das kreisrunde Innenfeld jedoch papierdünn wird. Im Allgäu werden die Küchle süß gegessen und nach dem ausbacken mit Zucker bestäubt.
Allgäu GmbH, Erik Siemen
Funkenfeuer im Allgäu.
Zur Entstehung des Memminger Mau erzählt man sich folgende Geschichte: „Einst ging der Ratsherr, trunken vom schweren Bodenseewein und angeregten Gesprächen, des Nachts vom Goldenen Löwen heimwärts. Damit er den Weg leichter finde, hatte er den Büttel zitiert, ihn zu geleiten. Auf ihrem Gang durch die nächtliche Stadt kamen die beiden auch an einem der vielen Zuber vorbei, die vor den Häusern, mit Wasser gefüllt, für einen möglichen Brand als Löschwasser bereitstanden. Die Nacht war mondhell und sternklar, so dass sich der runde Mond oder Mau gemütlich im Wasser spiegelte. Bei einer kurzen Verschnaufpause, die unserem Ratsherrn der genossene Alkohol abnötigte, kam diesem ein beinahe genialer Gedanke. Man könne doch, so sagte er sich, vom Weingeist auf ungeahnte Geisteshöhen gehoben, den Mau aus dem Zuber fischen und hätte damit eine ewige und immerwährende Beleuchtung für das Rathaus und für die ganze Stadt. Gesagt, getan: Unter großem Lärmen wurde der Stadtfischer Lang aus dem Bett geholt, damit er sich der Sache annehme. Der Stadtfischer kam eilends herbei, und gemeinsam versuchten die drei, inzwischen unter der Assistenz der ganzen Straße, die von dem Geschrei wach geworden war, mit dem Bären, einer Art Gabelnetz, den Mau aus dem Zuber zu fischen. So fischten sie, und fischten sie – bis heute ist uns aber nicht überliefert worden, ob sie den Mau tatsächlich gefangen haben." (aus „Weißblaue Gaumenletzen“, Erna Horn). Damit war der berühmte Memminger Mau geboren.
Der Memminger Mau ist heute ein runder Kuchen aus Guglhupf-Teig oder Schokotaler mit Mondgesicht auf der Oberseite. Seit mehr als 400 Jahren wird er hauptsächlich zu den beiden Memminger Heimatfesten Fischertag und Kinderfest gebacken.
Der Memminger Mau ist eine ausgezeichnete Spezialität des Spezialitätenlandes Bayern.
Allgäu GmbH, TVABS, Jungle GmbH Andi Mayr