©

Allgäu GmbH, Andi Mayr

Alpwirtschaft und Alpgenuss

Sommerfrische in der Höhe: Viele Rinder verbringen ihre Jugendjahre auf den Alpen und pflegen ganz nebenbei die Landschaft in den Allgäuer Bergen. Manche Alpen bieten auch Einkehrmöglichkeiten an. Wanderer können dort inmitten einer ganz besonderen Atmosphäre regionale Produkte genießen. Im Herbst kehrt das Vieh gestärkt ins Tal zurück. Ein Besuch auf der Strausbergalpe oberhalb von Imberg bei Sonthofen.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Auf der Strausbergalpe trifft man dieses Jahr 33 schwarze Angus-Rinder an. Mal weiden sie rund um die Alpe, mal sind sie weiter oben am Berg.

    Die Luft flimmert an diesem Sommertag auf unserem Weg entlang des Strausberg Moos, einem Naturschutzgebiet. Der feuchte Hochmoor-Kessel stammt noch aus der Eiszeit und ist ein Kleinod für Flora und Fauna. Hier, auf 1.227 Metern Höhe, liegt die Strausbergalpe am Fuße des Imberger Horns. Auf der Weide davor grast eine Herde von 33 Angus-Rindern auf der Suche nach schmackhaften Kräutern und Gräsern. Das Läuten ihrer Schellen begleitet uns den Weg hinauf zur Alpe.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Das Strausberg Moos ist ein Kleinod für Flora und Fauna.

    Große Bäume vor der Alpe spenden Schatten. Unter mit Geranien geschmückten Fenstern steht Andrea Buhl an der Theke. „Griaß d‘na“, sagt sie und strahlt uns entgegen. Seit 15 Jahren ist sie hier die Hirtin und Wirtin. Mit ihren Gästen kommt sie schnell ins Gespräch, beantwortet jede Frage und erklärt in schönstem Dialekt, was auf einer Alpe anders ist als im Tal. Zum Beispiel dass der Strom nicht für eine Gefriertruhe reicht und es deshalb kein Eis gibt. Aber dafür was viel Besseres, nämlich frischen Schoko-Nuss-Kuchen aus dem Holzofen. Und wie köstlich erst das Sonthofer Brot mit Bio-Heumilchkäse oder mit Schinken vom eigenen Bio-Angusrind schmeckt. Wie herrlich spritziges Wasser mit einem Schuss selbst gemachtem Kräutersirup den Durst löscht. Und die 47-Jährige ist zufrieden. Sie will bei ihren Gästen ein Bewusstsein für regionale Lebensmittel schaffen. Nicht umsonst ist sie im Verein „Allgäuer Alpgenuss“ aktiv, der für Qualität, Ursprünglichkeit und Ehrlichkeit steht.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Der Verein „Allgäuer Alpgenuss“ engagiert sich für Regionalität und Qualität

    Die Strausbergalpe ist mit ihrer Landwirtschaft seit über 20 Jahren Bioland-zertifiziert, bietet regionale und fair-gehandelte Produkte an. Das ist besonders und zieht Besucher an. „Aber unterm Strich muss es vor allem schmecken“, erklärt Andrea Buhl mit blitzenden Augen. Wer Interesse hat, kann nach Bio-Angusfleisch oder -Lamm fragen. Am Fensterladen hängt ein Herz aus Holz, in der Mitte steht auf schwarzem Schiefer: eigene Wurst vom Angusrind zum Mitnehmen – Direktvermarktung pur. Geschlachtet wird stressfrei auf der Weide.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Feine Wurst aus eigener Produktion – auf der Strausbergalpe kann man den die regionale Wertschöpfungskette hautnah miterleben.

    Die leckere Bewirtung ist das eine. Gemütlich sitzt man bei Käsekuchen und Kaffee auf den sonnigen Bierbänken, ein Lüftchen weht, der Blick schweift über die Weiden im Moos und hinauf zu den Bergen. Das andere jedoch passiert hinter diesem Idyll von vielen unbemerkt. Denn Alpwirtschaft ist nicht nur urig, sondern hat eine sehr wichtige Aufgabe: die Landschaftspflege und damit auch die Gestaltung unserer Kulturlandschaft. Ohne die Rinder, die Kräuter und Gräser abrupfen und den Boden mit ihrem Tritt verdichten, würden die offenen Weideflächen auf lange Sicht zuwachsen und zu Wald werden. Die Biodiversität auf den Flächen ginge verloren.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Alpwirtschaft hat viele wichtige Aufgaben: Landschaftspflege und damit auch die Gestaltung der Kulturlandschaft gehören mit dazu

    Die Beweidung wirkt sich sogar positiv auf die Artenvielfalt auf den Flächen aus. Zudem bieten die grünen Bergweiden zusätzliche Futterflächen, so dass das Gras im Tal als Futtergrundlage für den Winter hergenommen werden kann. Alpen gibt es überhaupt erst wegen der Tiere. Die Rinder verbringen dort oben ihre Jugendjahre, dürfen wertvolle Bergkräuter fressen, werden wohlgenährt, robust und widerstandsfähig. Die Sommerfrische wirkt sich auf die Qualität von Milch und Fleisch aus. Und die Bauern im Tal werden durch die ausgelagerte Tierbetreuung entlastet.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Seit über 50 Jahren, nun in der dritten Generation, behirtet und bewirtet Familie Buhl aus Sonthofen-Winkel die Strausbergalpe auf 1227 Metern Höhe.

    Familie Buhl betreiben im Tal eine Landwirtschaft und bewirtschaften zusätzlich im Sommer eine Alpe. Die 47-Jährige hat zwar Bankkauffrau gelernt, sich dann aber schnell für die Landwirtschaft ihres Mannes entschieden. Eine Bauchentscheidung, die für die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern bis heute genau richtig war. Andrea Buhl liebt ihre Welt im Strausberg Moos: „Hier bin ich bei mir selbst. Hier spüre ich meine Wurzeln, die Natur, das Ursprüngliche. Es erdet, wenn man mit den Händen schaffen kann. Und man sieht am Abend, was man geschafft hat. Dafür erhalte ich viel Wertschätzung von meinen Gästen, ob Einheimische oder Urlauber.“

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Weil der Berg von oben schob, wurde die alte Sennalpe abgerissen und versetzt die Strausbergalpe gebaut. 40 Jahre ist das nun her. Früher war die Alpe samt 125 Hektar Land im Besitz der Wittelsbacher. Seit 2003 ist sie in Privatbesitz. Vor 15 Jahren hat Andrea Buhl mit ihrem Mann Peter die gepachtete Alpe von den Schwiegereltern / Eltern übernommen.

    Trotzdem ist zwischendurch eine Verschnaufpause nötig. Deshalb ist Mittwoch und Donnerstag Ruhetag für Gäste, aber Zeit für Einkäufe in der Region und vor allem für alpwirtschaftliche Arbeiten, wie Ampfer stechen und das Vieh auf andere Weideflächen umtreiben. Arbeit gibt es immer genug.

    Die Tage auf der Alpe sind oft 14 Stunden lang, von Montag bis Sonntag. „Das muss man gerne machen, sonst geht’s nicht. Jeder Tag ist anders, aber ich mag die Abwechslung und die Herausforderung“, meint Andrea. Um 6 Uhr beginnt der Arbeitstag. Während in der Küche der Kuchen gebacken, Käse und Wurst aufgeschnitten werden, werden die Milchkühe gemolken, Esel, Ponys und Schweine versorgt. Dann geht Andrea zum Vieh auf die Weide. Mal sind sie ganz in der Nähe der Alpe, mal 30 Minuten zu Fuß entfernt. Mal sind es nur die eigenen Tiere wie dieses Jahr, mal sind es Rinder von einem weiteren Bauern. Mindestens einmal täglich streicht sie jedem einzelnen Tier über Kopf und Augen. Das schafft Vertrauen und Zutraulichkeit.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Angus-Rinder sind temperamentvoll, aber trittsicher am Berg unterwegs. Sie vertragen sich gut mit Allgäuer Braunvieh.

    Sind alle gesund, ist der Wassertrog aufgefüllt und der Zaun kontrolliert, geht`s zurück zur Alpe. Nach einem üppigen Frühstück, gemeinsam mit den Aushilfen, die über Nacht im Tal waren, kommen schon die ersten Gäste auf die Strausbergalpe. An sonnigen Tagen ist viel los, für jedes Getränk laufen die Mädels in den Naturkeller. Sein Lehmboden ist mit Steinen bedeckt und hält alles kühl. Bei Regen wird Marmelade oder Griebenschmalz gekocht.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    So urig, so gemütlich: Wettergegerbtes Holz und üppige Geranien zieren die Strausbergalpe. Ein besonderer Genuss sind die liebevoll zubereiteten Brotzeiten aus Bio-, Fairtrade- und regionalen Zutaten.

    Immer wieder verschwindet die Hüttenwirtin in der Küche, um Holz nachzuwerfen. Denn der Ofen darf nicht ausgehen, er ist das Herzstück. Stets stehen große Töpfe auf dem Herd, in denen Wasser sprudelt. Mit dem abgekochten Wasser wird der Bio-Fairtrade-Kaffee aufgebrüht oder der Abwasch erledigt. Alles von Hand wohlgemerkt, eine Spül- oder Kaffeemaschine gibt es nicht.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Andrea Buhl ist Älplerin aus Leidenschaft. Zusammen mit ihren Alpfehla umsorgt sie ihre Gäste und ihre Tiere.

    Bewirtung und Behirtung, beides gehört auf vielen Alpen zusammen. Voller Energie und Leidenschaft, Fachwissen und langjähriger Erfahrung sorgt die Oberallgäuerin für das Wohl ihrer Gäste wie auch der Tiere. Ein gutes Miteinander liegt der Älplerin am Herzen. Mit ihrem Team, mit anderen Älplern, mit Jägern und Hirten, mit dem Naturschutz. Auch der Alpwirtschaftliche Verein bringt verschiedene Parteien zusammen, um die Allgäuer Alpwirtschaft und Kulturlandschaft zu erhalten und zu fördern.

    Im Herbst zieht Wehmut auf, der Alpsommer in den Bergen ist zu Ende. Dann treiben in Tracht gekleidete Hirten ihr Vieh zurück ins Tal. Kam kein Tier zu Schaden, läuft ein prächtig geschmücktes Kranzrind vorneweg. Am Scheidplatz wird jedes Tier von der Herde geschieden, der Hirte übergibt es wieder an seinen Besitzer. Daher heißt der traditionelle Alpabtrieb im Allgäu „Viehscheid“. Er findet immer im September in rund 30 Orten statt, oft mit Krämermarkt und Festzelt. Für die Strausbergalpe gibt es meist ganz für sich einen kleinen Viehscheid. Oder man verlädt die Tiere auf den Hänger, denn die Herde muss nicht nur den Berg hinab, sondern auch mitten durch Ortsteile von Sonthofen hindurch laufen. Dann freut sich Andrea Buhl auch wieder aufs Leben im Tal.

    Aber noch ist es nicht soweit. Noch genießt die Älplerin die Ruhe nach einem Vollgas-Tag. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen die Strausbergalpe in goldenes Licht. Ein kleines Paradies für Mensch und Tier.

    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Die Strausbergalpe hat bei Regen ein paar Sitzplätze drinnen in der gemütlichen Stube. Im 1. Stock sind zwei Schlafzimmer, ein kleines Bad und die Tenne - Sommer-Zuhause für Andrea Buhl und ihr Team.

    • Weitere Informationen

      Hoch gelegene Viehweiden, die nur im Sommer genutzt werden, heißen in Bayern und Österreich „Alm“ und im Allgäu „Alpe“. Alpe ist nicht gleich Alpe. Auf der Sennalpe leben Milchkühe, deren Milch direkt vor Ort zu Butter und Käse verarbeitet wird. Auf einer Galtalpe gibt es nur Galtvieh, das noch keine Milch gibt. Mehr Infos zur Alpwirtschaft findet sich in unserem Infoartikel unten. 

    Für dich ausgesucht

    Dazu passend

    Allgäuer Jungvieh auf Bergweide im Sonnenschein
    ©

    Allgäu GmbH, Klaus-Peter Kappest

    Die Allgäuer Alpwirtschaft

    Die Alpwirtschaft prägt das Allgäu und seine Kulturlandschaft schon seit Jahrhunderten. Doch was steckt eigentlich dahinter? Warum heißt es Alpe oder wie entstand und...

    mehr dazu
    Information
    Kühe auf der Weide mit Bergen im Hintergrund
    ©

    Allgäu GmbH, Andi Mayr

    Grünes Allgäu

    Was wäre das Allgäu ohne seine Kühe? Die Region ist mit reichlich Grünland gesegnet, so dass viele Tiere mehrere Monate im Jahr auf die Weide dürfen. Warum ist das so...

    Mehr dazu
    Portrait Silke Lorenz
    ©

    Silke Lorenz

    Die Autorin

    Silke Lorenz

    Von Franken über Niederbayern und Baden ins Allgäu, von Tageszeitungen und Verlagsarbeit über Frauenmagazine zur freien Journalistin: Seit über zehn Jahren bin ich jetzt im Oberallgäu daheim und entdecke immer aufs Neue tolle Menschen, alte Handwerkskünste, faszinierende Orte – und immer wieder sprachliche Schätze im Allgäuer Dialekt, die mein Germanisten-Herz erfreuen :-). Ich hoffe, Sie haben genauso viel Spaß beim Lesen meiner Geschichten wie ich beim Recherchieren derselbigen. Frohes Schmökern!