Allgäuer Kässpatzen
Allgäuer Kässpatzen. Das Allgäuer Nationalgericht schlechthin, fast schon ein Lebensgefühl und für viele eine wahre Götterspeise. Und vor allem eines: Ein kulinarisches Erbe des Allgäus.
Allgäuer Kässpatzen. Das Allgäuer Nationalgericht schlechthin, fast schon ein Lebensgefühl und für viele eine wahre Götterspeise. Und vor allem eines: Ein kulinarisches Erbe des Allgäus.
Begibt man sich auf eine kulinarische Reise durch die Region, trifft man immer wieder auf das Mysterium Kässpatzen. Denn weder kennen sie EIN allgemeingültiges Rezept, noch kennen sie Landesgrenzen: Wenn es einen Weißwurst-Äquator gibt, dann auch den Spätzle-Breitengrad und der reicht von Schwaben bis nach Österreich oder auch bis in die Schweiz. Dabei heißen sie je nach Zubereitungsart von Region zu Region unterschiedlich: Spatzen sind es im Allgäu, Spätzle oder Knöpfle im Schwäbischen oder doch eher die Spatzln in Tirol?
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downloadUnser Rezept basiert auf einem Grundrezept der Stadt Kempten und aus dem Kochbuch "d'Schwäbische Kuche
40-50 Minuten
Rezept für 4 Portionen
Überblick zu den Zutaten für die Allgäuer Kässpatzen
Spatzenteig durch den Spatzenhobel führen
Die Knöpfle fallen ins heiße Wasser
Zu Kässpatzen passen am besten die Allgäuer Käsesorten
Die Allgäuer Kässpatzen sind fertig
Das Käsefädenziehen gehört zum Allgäuer Genuss dazu
Kässpatzen schmecken besonders gut auf einer Allgäuer Alpe
Kässpatzen - das Allgäuer Nationalericht
Es gibt unterschiedliche Theorien, wie die Spätzle, Spatzen und Knöpfle zu ihrem Namen gekommen sind. Der Begriff „Spatz“ soll durch das Formen des Teiges mit der Hand entstanden sein – hier entstand vage die Form eines kleinen Vogel, eines Spatzen. Spätzle hingegen könnten auch vom italienischen Wort „spezzato“, das heißt so viel wie „Gestückelt“ oder „Geschnitten“, abstammen. Der Begriff „Knöpfle“ lässt sich durch eine andere Teigform begründen, sie sind kurz, rund und klein – Knöpfle eben.
Denn hier zeigt sich auch der bedeutende Unterschied zwischen Spätzle und Knöpfle, dieser liegt nämlich in der Zubereitungsart und somit auch in der Form. Dabei spielen die jeweiligen Küchenutensilien eine große Rolle, die je nach Region auch variieren können.
Während das Grundrezept gleich ist, sind Knöpfle klein, rund und ähneln eher kleinen Tropfen. Sie werden durch ein Sieb gedrückt/gepresst oder durch einen Spätzlehobel mit großen, runden Löchern gehobelt.
Spätzle hingegen wurden früher vom Brett geschabt oder werden heute durch den Spätzlehobel, die Spätzlepresse oder die Spätzlereibe geführt. Durch diese Gerätschaften und je nach Lochform werden die Spätzle länger, dicker. Werden sie von Hand vom Brett geschabt, werden sie ungleichmäßiger und auch mal dünner. Diese Spätzlebretter haben eine abgeflachte Kante, damit die Spätzle leichter ins Wasser geschabt werden können. Beim Hobel hingegen gibt es einen Schieber oder „Schlitten“ in den die Teigmasse eingefüllt wird. Bei der Reibe ist es eine Teigkarte, die durch Streichbewegung den Teig durch die Reibe drückt. Die Presse funktioniert durch Kreisbewegungen, durch die der Teig entsprechend im Wasser landet.
Kenner/innen wissen, dass auch die Konsistenz des Teiges für die Unterscheidung wichtig ist. Bei Knöpfle muss er gut tropfen, also flüssiger sein, bei Spatzen zähflüssiger.
Somit verhält es sich hier wie bei der klassischen italienischen Nudel, Rigatoni sind nicht gleich Tagliatelle und die Form macht den Unterschied. Die Liebe zu den goldenen Tropfen eint die Spätzle-Liebhaber letztendlich jedoch alle, egal ob gedrückt, gehobelt oder geschabt.
Fest steht: Erwähnt wurden Spätzle allgemein zum ersten Mal im 17. Jahrhundert in Göppingen. Auch im Märchen der „7 Schwaben“ taucht das Allgäu-Schwäbische Kulturgut auf – in Form vom „Knöpfleschwaben“, der als Feldkoch Teil der abenteuerlichen Reise ist. Auch ein Blick in alte Kochbücher verrät, Allgäuer Kässpatzen sind im Trend und das schon seit langer Zeit. Dabei waren sie kein reines Sonntagsgericht, sondern wurden gerne und oft im Alltag gegessen. In dem allseits beliebten und bekannten Nachschlagewerk „d’schwäbisch‘ Kuche“ heißt es um 1900 „Man lebte jahraus, jahrein von den Milchprodukten in Verbindung mit Mehl, Eiern, Kraut und Bohnen.“ Hier taucht auch der Urvater des Spatzenhobels auf, der „Waler“, ein dreibeiniger „Spatzenseiher“, der genauso wie Backofen und Nudelbrett zur Ausstattung der damaligen Landküche gehörte.
Die ärmere Landbevölkerung verstand es durchaus, ihre Alltags-Spatzen mit Frischem vom Feld, aus dem Garten oder mit lokaltypischen Produkten zu verfeinern. Daraus resultieren bis heute auch unterschiedliche Rezepte, wie z.B. Krautspatzen, Apfelspatzen, Bärlauchspätzle oder eben die Allgäuer Kässpatzen. Das zeigt auch das Werk von 1908 „Brauchtum und Alltag in Schwaben“, das die Kässpatzen als beliebtes Volksgericht betitelt. Gerade auch deshalb, weil sie ordentlich und lange sättigend sind – ein Umstand, der für die schwere Landarbeit von damals nicht unwichtig war.
Welcher Käse nun in die Allgäuer Kässpatzen kommt, ist wissenschaftlich nicht abschließend geklärt. Werfen wir einen nostalgischen Blick zurück, ist die Antwort klar: Man nahm den Käse, der gerade „da“ war. Fragt man heute die Allgäuer/innen, sind die Antworten vielfältig. Bergkäse und Emmentaler sind Pflicht, manch feiner Gaumen favorisiert Sennalpkäse und Weißlacker mit dazu. Damit wären die EU-geschützten Käsesorten komplett. Aber auch Weich- oder Schnittkäse sind nicht selten, Limburger oder Romadur gehören dazu. Klar ist, das be(sch)te Rezept ist immer noch das von der Mama oder Oma, nirgends schmecken die Spatzn besser.
Der Geschmack ist dabei nicht das einzig wichtige. Auch die Konsistenz der Spatzen sowie des Käses sind wichtige Genuss-Faktoren. Gemeint ist dabei vor allem das Fäde(n)ziehen, eine Disziplin, die am familiären Küchentisch schon so manche Rekorde brachte. Das ist natürlich abhängig von den verwendeten Käsesorten. Eine Faustregel: Je mehr junger Käse, sei es Emmentaler oder Schnittkäse, desto länger die Fäden. Viele Sennereien im Allgäu bieten Käsemischungen für Kässpatzen an. Und wenn es um Tipps für die richtige Käseauswahl geht, gibt es die Empfehlungen gratis an der Verkaufstheke. Es gilt dabei das Gesetz: Allgäuer Kässpatzen gelingen nicht ohne Allgäuer Käse!
Vergessen wir nicht die Zwiebelkomponente. Auch hier gibt es Unterschiede in den Rezepten: Röstzwiebeln oder Schmelzzwiebeln? Auch das ist eine Frage des guten Geschmacks – also relativ.
Der Schüssel-Faktor: Auch das Gefäß in dem die Spatzen gebettet werden, ist für den Kässpatzen-Genuss wichtig. Die Allgäuer Kässpatzen-Schüssel ist nicht zu hoch, aber breit, damit jeder gut aus der Schüssel schöpfen kann. Früher wurde mit dem Löffel direkt aus der Schüssel gegessen, zum Teil gab es eine Scheibe Schwarzbrot dazu. Damit sie nicht zu schnell abkühlen, ist die Schüsselwand dafür eher dick mit einer schrägen, breiten Kante. Auch die Schüssel gehört zum kulinarischen Erbe wenn man so will – die Allgäuer Keramik Manufaktur in der Nähe von Sonthofen beispielsweise fertigt diese seit rund 60 Jahren nach alter Tradition: Zweckmäßigkeit und Ästhetik spielten dabei nicht nur für die Spatzen eine Rolle, sondern auch für das zugehörige Geschirr.
Die Allgäuer lieben ihre Kässpatzen. In den Allgäuer Gasthöfen findet man sie nicht nur in gut sortierten Speisekarten, sondern als festen Bestandteil im Menü. Auch auf den Allgäuer Alpen empfängt oft eine dampfende Schüssel Kässpatzen den erschöpften aber glücklichen Wanderer. Der Kemptener Wochenmarkt ist (welt-)berühmt für seine leckeren Kässpatzen to go. Mittlerweile gibt es auch Lokale, die sich rein auf das Kulturgut spezialisiert haben. Oder auch auf Streetfood-Festivals gibt es neben Haloumi-Falafel, Humus-Wrap und Co. auch Food-Trucks, die den Spatzenhobel schwingen und den Allgäuer Klassiker neu interpretieren.
Jeder Allgäuer und jede Allgäuerin hat dabei seinen eigenen persönlichen Genussort, wo es die besten Allgäuer Kässpatzen gibt. Natürlich nicht so gut wie bei Mama oder Oma, aber zumindest annähernd.
In Kooperation mit Emmerich Heilinger vom Heimatbund Allgäu sowie Ruth Rebstock von der Allgäuer Keramik. Literarische Quellen sind „Brauchtum und Alltag in Schwaben“, „d’schwäbisch‘ Kuche“ vom Brack-Verlag sowie „Spatzen und Spätzle“ vom AVA-Verlag.