„Posen“ sind das für ihn, wie Yoga heute vielfach in den Sozialen Medien dargestellt wird. Junge Frauen in schicker Kleidung, die sich verbiegen. Das soll vor allem cool aussehen, was es vor besonderer Landschaft tatsächlich oft auch tut. Für Ludwig Stockinger aber hat „sowas“ mit dem Grundgedanken des Yoga nicht mehr zu tun. Er sagt es leicht schnaufend, mitten im Anstieg auf den Hirschberg über Bad Hindelang, aber mit ruhiger Stimme. „Das ist kein Yoga, das ist eher Gymnastik.“ Der Weg führt über einen von Bäumen gesäumten Grat. Die Sonne scheint. Von einer nahen Alpe hört man die Glocken der Kühe. Eine Hummel brummt vorbei. Die Luft schmeckt würzig-süß – nach Blumen und trockenem Gras.
Auf jeder schönen Alpe ein Sonnengruß…
Ludwig Stockinger ist ein kräftiger Mann mit einem charakteristischen Schnauzbart und einer geradezu ansteckenden Ruhe. Er gilt als einer der Pioniere im Allgäu für Yoga in der Natur. Wenn man mit ihm unterwegs ist, sich mit ihm unterhält, beginnt man schon nach wenigen Minuten sich zu wundern, dass nicht unter jedem zweiten Baum eine Matte liegt, nicht auf jeder schönen Wiese eine kleine Gruppe den Sonnengruß macht, nicht an jedem Aussichtsplatz jemand sitzt und mit geschlossenen Augen einen Moment der inneren Einkehr genießt.
„Warum Yoga in der Natur werde ich immer nur gefragt, bevor sich ein Gast auf den Weg gemacht hat“, sagt Ludwig Stockinger, „sobald sie hier angekommen sind, dann wissen sie es.“ Inzwischen haben wir das Gipfelkreuz erreicht. Es steht nicht an der höchsten, sondern an der schönsten Stelle – einem kleinen Plateau auf 1.479 Metern. Unter uns rauscht der Luftkurort, vor uns staffeln sich die Allgäuer Alpen in die Ferne. Eine Landschaft so eindrucksvoll wie inspirierend, ehern und doch lockend. Wir rollen die Matten aus. Und kommen erstmal an.