Sechs Geheimtipps für Bad Wurzach
Wir präsentieren achtsame Geheimtipps. Ein Moortretbecken im Regen, eine Leidenschaft für Holz und eine Bühne für das Moor.
Wir präsentieren achtsame Geheimtipps. Ein Moortretbecken im Regen, eine Leidenschaft für Holz und eine Bühne für das Moor.
Das Wurzacher Ried ist eines der bedeutendsten Hochmoore Mitteleuropas und ein Kraftort im Allgäu. Im Sommer strotzt das Moor nur so vor Leben, die Bäume tragen üppiges Laub und das dichte Schilf raschelt. Immer wieder bleibst du stehen, gehst in dich, achtest auf deinen Atem, lauschst der Natur, versuchst, ganz im Hier und Jetzt zu sein. Stapfst später barfuß durch das Moor und spürst den schwarzen Boden zwischen den Zehen. Erinnerungen an die eigene Kindheit werden wach. Da konnte man es noch – nur auf sich achten. Faszinierend, was das Moor mit einem macht…
Achtsam führt uns Sabine Gumsheimer durchs Wurzacher Ried. Schwarz glitscht der Boden zwischen unseren Zehen hindurch
Es gibt Orte, sobald man diese betritt, ist deutlich zu spüren, dass hier eine besondere Leidenschaft lebt. Die Kreativwerkstatt Angele ist so ein Ort. Ein ehemaliger Bauernhof im grünen Hügelland rund um Bad Wurzach. Bäume, Wiesen, ein Teich, ein verspielt bellender Hund. Früher haben die Angeles an diesem herrlichen Fleckchen Allgäu eine kleine Landwirtschaft mit Milchvieh betrieben. Doch das ist vorbei, und Leonhard Angele verliert kaum ein gutes Wort über die Agrar-Politik, die große Betriebe fördert, aber für leidenschaftlich betriebene Tierhaltung kein Herz hat. Vor zehn Jahren wurden die Kühe verkauft und der Hof umgewandelt in einen Ort der Kreativität. Ein Paradies für Holzschnitzer, unzählige Rohlinge aus Birnenholz liegen parat, mehr als 400 Kerbschnitzbeitel in verschiedenen Größen, alle mit Kirschholzgriff.
Ein feiner Nebel aus Sägemehl umweht den Schnitzer
Leonhard Angele liebt hochwertiges Werkzeug. Nur damit könne man auch sorgfältig arbeiten, sagt der Schnitzer. Später zeigt er eine beeindruckende Hammer-Sammlung mit rund 150 Schlagwerkzeugen für verschiedene Einsatzbereiche – vom Küfer bis zum Goldschmied. Für seine tägliche Arbeit setzt Angele aber auch auf High Tech. Eine Fräsmaschine mit einem von ihm selbst geschriebenen Programm erstellt die Model. Die von ihm geschnitzten Formen, um darin Springerle zu backen, sind längst über die Landesgrenzen berühmt. Springerle nennt man ein Bildgebäck, ähnlich, aber viel feiner als ein Spekulatius. Früher wurden sie vor allem für kirchliche Feiertage oder Familienfeste gebacken. Heute gibt es vielfältige Verwendungszwecke. Jedes Model von Leonhard Angele ist ein Unikat, seine Arbeiten sind sehr feinsinnig und detailreich ausgeführt. Er schnitzt auch Krippenfiguren, Masken, Holzgeschirr, Reliefs. „Ich liebe diese Arbeit“, sagt der Mann, den immer ein feiner Nebel aus Sägemehl umweht, „wenn ich schnitze, vergesse ich alles um mich herum…“
Wer selbst eintauchen will in diese Welt, Leonhard Angele bietet auch Schnitz-Workshops an.
Mehr als 400 Kerbschnitzbeitel in verschiedenen Größen sind in seiner Werkstatt zu finden
Leonhard Angele ist ein Mann voller Leidenschaft für seine Arbeit
Moor ist erhebend. Das spürt man spätestens, wenn man im Zuber liegt – und sich ungewohnt leicht fühlt. Als würde man von unsichtbaren Händen getragen. Im feelMOOR Gesundheitsresort hat man diesem himmlischen Moment einen besonderen Rahmen gegeben und die Moorbad-Abteilung neu gestaltet. Organische Formen, Holzschindeln, indirekte Beleuchtung, wehende Vorhänge. Man wird in eine geräumige Kabine gebeten, zieht sich um während das Bad einläuft. Nach frischer Erde riecht das gereinigte, klein gehäckselte und nun erwärmte Moor. Es lässt einen schweben, man fühlt sich leicht und der Natur verbunden. Und schrickt geradezu auf, wenn nach 20 Minuten gegen die Tür geklopft wird. Länger soll man sich nicht diesem Gefühl hingeben, denn das Moor erhitzt den Organismus. So fiebert man, kaum dass das eine Bad endet, dem nächsten entgegen.
Das Moor lässt einen schweben, man fühlt sich leicht und der Natur verbunden
Organische Formen, Holzschindeln, indirekte Beleuchtung, wehende Vorhänge - die neue Moorabteilung im Hotel am Reischberg
Dass ein Tropfen so viel bewegen kann. Ein Tropfen Blut. Ende des 17. Jahrhunderts soll ein Paulaner-Bruder eine Reliquie aus dem Besitz von Papst Innozenz XII. erhalten haben – ein Tuch, getränkt mit einem Tropfen Blut, verschlossen in einer goldenen Kapsel. Als diese nach Bad Wurzach kam, wurde sie in eine kleine, vergoldete Monstranz eingefügt und in der Wallfahrtskirche auf dem Gottesberg aufgestellt. Schon bald wallfahrten Gläubige aus allen Landesteilen zum Heiligen Blut, das am „Blut-Freitag“ in seiner Monstranz sogar zum Küssen gereicht wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Reliquie beim Blut-Ritt erstmals dem Volk präsentiert. Daraus entstand im Juli 1928 das Heilig-Blut-Fest. Inzwischen ist es eine Großveranstaltung mit Blut-Reitern und Lichterprozession, mit Gottesdiensten und geselligem Beisammensein. Mehr als 1.500 Reiter nehmen auf ihren Pferden daran teil, mehr als 5.000 Menschen pilgern am zweiten Juli-Wochenende nach Bad Wurzach. Ein Fest, das den Ort am Freitag verwandelt. „Die Reiter kommen dann diesen Weg herauf“, sagt Raimund Miller und weist in die silbrige Ferne. Die Sonne scheint, ein kräftiger Wind weht, so dass sich die Blätter und Halme von ihrer helleren, silbrigen Seite zeigen. „Und von dort führt die Prozession zurück in die Wallfahrtskirche.“
Die Heilig-Blut-Wanderung regt zum Nachdenken
Miller, ein herzlich-freundlicher Mann in einem kurzärmligen, lila Hemd, ist Pastoralreferent und Kurseelsorger. Er hatte darüber nachgedacht, wie er die Kraft des Heilig-Blut-Festes erlebbar machen kann auch an Tagen, an dem von dem Fest nichts zu sehen ist. Nun bietet er, im Rahmen des Samstags-Pilgern, diese Führung an. Die nimmt ihren Ausgang an der St.-Verena-Kirche, führt über Josenhof, Truschwende und Reinstein zum Gottesberg. Unterwegs regt der Kurseelsorger immer wieder zum Nachdenken und zum Austausch an: Warum ist Blut heilig? Was sagt das über das Leben? „Aber jetzt laufen wir mal ein Stück in Stille“, sagt Raimund Müller. Ein Moment der Achtsamkeit. Schließlich sei in der Gruppe jeder immer auch für sich. Diese spirituellen, gleichermaßen sinnlichen Momente seien wichtig. „Es tut gut sich immer wieder zu fragen: Was habe ich gehört? Was gerochen? Was gesehen? Und was hat das alles mit mir gemacht?“
Ein Tuch, getränkt mit einem Tropfen Blut, verschlossen in einer goldenen Kapsel, aufbewahrt in einer vergoldete Monstranz
Raimund Miller lädt immer wieder zum Nachdenken und zum Austausch an: Warum ist Blut heilig?
MOOR EXTREM? Man könnte den Titel für einen Marketing-Gag halten. Und würde das nicht in unsere Zeit passen, in der alles irgendwie auch immer übertrieben wirkt? Doch wenn man sich mit der Entstehungsgeschichte eines Moores befasst, dann dringt man vor in extreme Dimensionen: Entstanden ist das Wurzacher Ried, als vor 450.000 Jahren gewaltige Gletscher mit ihrer unvorstellbaren Wucht, ihrem Gewicht und Wassermengen dieses Land formten. In einem Menschenleben – circa 90 Jahre – wächst ein Moor um etwa neun Zentimeter. Rund 10.000 Jahre alt ist das Wurzacher Ried. Und es ist nach wie vor ein extrem gefährlicher Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Auch für den Menschen. Von all diesen Extremen erzählt diese Ausstellung. Man erlebt das Moor danach ganz anders…
Was unser Vorstellungsvermögen sprengt – die Ausstellung „Moor extrem“
„Eigentlich muss man gar nicht stehen bleiben, nur weil ich stehen bleibe“, sagt Sabine Gumsheimer. Und man erkennt im einen oder anderen Gesicht der sich um sie scharenden Teilnehmer dieser achtsamen Führung nun doch etwas Ratlosigkeit. „Jeder darf für sich selbst entscheiden, was ihr oder ihm gut tut.“ Hinter ihr führt ein kleiner Holzsteg ein wenig hinein in einen der Teiche in der Moorlandschaft des Wurzacher Rieds. Unser Guide lächelt. Sie provoziert gern mit diesem Satz, will zeigen, wie sehr wir auch Herdentiere sind. Dabei sei es aber wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu kennen. „Mein Haus, mein Auto, mein Sonstwas – diese Werte zählen nicht mehr.“ Und sie fordert uns auf, still zu stehen, bewusst zu atmen, die Augen zu schließen oder offen zu lassen und uns auf den Moment zu konzentrieren. Das Besondere kommt nicht erst morgen oder in noch späterer Zukunft. Ein Mückenschwarm tanzt zwischen Schilf und Birken. Der Regen malt Kringel in das dunkle Wasser, in immer gleicher, doch ständig neuer Form und Größe.
Sabine Gunsheimer fordert uns auf, still zu stehen, bewusst zu atmen, die Augen zu schließen, achtsam zu sein für das, was ist
Der Regen malt Kringel in das dunkle Wasser, in immer gleicher, doch ständig neuer Form und Größe