An einem schönem Herbstwochenende wie diesem muss man sich richtiggehend einreihen – in die Flaneure. Sie genießen die noch wärmenden Sonnenstrahlen, die frische Luft und die überraschende Perspektive, die ihnen diese Prachtstraße bietet. Schnurgerade liegt sie vor einem. 1,9 Kilometer lang. 600 Linden flankieren den grobkörnigen Asphalt der Kurfürstenallee von Marktoberdorf. Und Baumspezialistin Monika Mydla, Expertin für die schöne Meile, sagt: „Dies ist der Stolz der Einheimischen.“
Zwischen 1774 und 1780 wurde sie errichtet. Drehen wir die Uhr zurück: Zu jener Zeit war Deutschland ein Flickenteppich aus cirka 300 Klein- und Kleinststaaten. Ein typischer Herrscher war Clemens Wenzeslaus von Sachsen. Er führte 12 Titel, unter anderen Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches, Bischof zu Augsburg, Probst zu Ellwangen, Erzbischof und Kurfürst zu Trier. Dazu gehörte auch das frühere Oberdorf. Die Untertanen daselbst waren hoch erfreut als der Herrscher hier das schon bestehende barocke Jagdschloss zu seiner fürstbischöflichen Sommerresidenz umbauen ließ.
Zwei Hügel sind im Weg und sollen abgetragen werden
Der Fürst liebte die französische Kultur. Die Gemälde, die er von sich anfertigen ließ, zeigen einen hochgewachsenen Mann mit standesgemäßer Perücke. Französisch geprägt ist auch die Architektur seiner Residenzen und sein Hofstaat von bis zu 520 Personen – mit einem mehrköpfiges Ärzte-Team. Ob die ihm empfohlen haben, im Schatten zu wandeln? Dafür ließ er eine Allee anlegen. Damit der Spaziergang nicht zu anstrengend wurde, sollten sogar zwei Hügel abgetragen werden. Doch die Untertanen murrten, ob der aufwändigen Fron.
Als fünf Jahre nach Baubeginn die Hügel noch immer nicht eingeebnet waren, gab der Kurfürst seinen ambitionierten Plan auf. Die Kurfürstenallee im Allgäu steht also auf faszinierende Weise auch für die Diskrepanz zwischen Ambition und Wirklichkeit, für das Nebeneinander von Landschaftsgestaltung und Urwüchsigkeit. Und so kommt es uns hier auch vor: ein knorriger weiser Ort, ein Stück gezähmter Wald.