Wir klettern tiefer in den werdenden Urwald hinein. Die Luft ist erfüllt vom Rascheln der Blätter, vom Rauschen des Wassers, vom Summen der Insekten. Die Sonne dringt nur zum Teil durch das Dach der Bäume. Am Boden ist die Luft kühl. „Dies ist eine besondere Waldgemeinschaft“, sagt Boris Mittermeier. Er verwendet ständig diese Begriffe: Waldgemeinschaft, Waldgesellschaft, Vegetationsgemeinschaft – sie besteht aus Bäumen, Büschen, Pilzen und Käfern. Inzwischen wissen wir, dass Bäume keine Einzelgänger sind. Sie kommunizieren über Duftstoffe, sind durch ihre Wurzeln miteinander verbunden und über die Hyphen der Pilze, die im Waldboden ein regelrechtes Netzwerk bilden. Man spricht sogar vom Wood Wide Web.
Die Bäume kommunizieren über ein Netzwerk – das Wood Wide Web
Im Achrain lebt diese Gemeinschaft ohne forstwirtschaftliche Einflussnahme. Seit 1978, seit rund 40 Jahren. Für uns Menschen eine lange Zeit. Nicht für die Bäume. „200 bis 300 Jahre alt sind einige der Tannen hier. Sie stehen in ihren besten Jahren“, sagt der Mann, der ein Jüngling ist gemessen am Alter der Bäume. Wenn man den Wald lässt, genießen die Bäume ein langes Leben. Als Förster lernt man, in Generationen zu denken. „Für mich gibt es keine einfache Gleichung: Urwald gleich heile Welt – Forstwald als das Gegenteil.“ Der Wald müsse heute Leistungen für viele Menschen erbringen -Baumaterial, Trinkwasser, Lawinenschutz und Brennholz. Gleichzeitig ist er wertvoller Lebensraum für eine enorme Artenvielfalt.
Wir steigen über einen weiteren Stamm. Der Förster von der Fachstelle Waldnaturschutz sieht einen Pilz und bricht ihn auf, um uns den Zunderschwammschwarzkäfer zu zeigen, der darin lebt. Plötzlich hält Boris Mittermeier inne. „Ich muss doch ein totaler Freak für euch sein, wie ich hier in den Pilzen nach einem Käfer suche.“ Er lacht. Und erzählt, wie er wurde, was er ist: Studium der Forstwirtschaft in Weihenstephan, Revierförster in Ottobeuren, heute stellvertretender Leiter und Betreuer der Natura 2000 Projekte. Es zählt zu seinen Aufgaben, Orte wie diese zu hüten und zu erforschen.