Es bedarf einen Moment der Überwindung. Erst fühlt es sich rau an, überraschend kühl, selbst an warmen Tagen. Dann gibt man sich einen Rück – und legt beide Arme fest um den Baum. Das Holz nimmt die Wärme auf und gibt bereits nach wenigen Momenten davon zurück. Wenn man jetzt die Augen schließt, die Wangen an den Stamm legt, dann ist das Leben spürbar, das den Baum durchdringt.
Manchmal braucht es einen Kick von außen, um das Besondere zu entdecken, selbst wenn es vor der eigenen Haustür liegt. Aus Japan stammt ein Trend, der eigentlich eine Heilmethode ist: Waldbaden, Shinrin Yoku. Der Ansatz, dass der bloße Aufenthalt im Wald was mit uns macht, ist so verblüffend wie naheliegend. Und er weist uns einen neuen Weg auf im Umgang mit einem Lebensgefährten, der so selbstverständlich ist, dass man ihn beinahe übersieht.
Rund ein Drittel des Allgäus bestehen aus Wald
Dabei ist Wald eine dominierende Lebensformen in Deutschland. Rund 50 Prozent der Fläche der Bundesrepublik dienen der Landwirtschaft, 15 Prozent werden für Siedlungen und Straßen gebraucht – inklusive Parks und Friedhöfen. Seen, Flüsse und andere Gewässer nehmen gut 2 Prozent ein. Der Rest, immerhin 31 Prozent!, werden von Gehölzen und Bäumen bewohnt. 29,8 Prozent von Deutschland sind Wald. Im Allgäu nimmt der sogar etwas mehr als ein Drittel der Gesamtfläche ein.
Obwohl wir so sehr umgeben sind von Wald, haben wir erst in jüngster Zeit einige Erkenntnisse gewonnen über das Leben der Bäume. Wir wissen nun, dass Eichen und Buchen, Birken und Tannen miteinander kommunizieren, dass sie sich vor Gefahren warnen und sich gegenseitig sogar in Notlagen helfen. Wir haben heraus gefunden, dass ein Wald umso intakter ist, je vielfältiger seine Gemeinschaft ist, dass eine geschlossene Krone mehr zählt als viel Platz für einzelne. Das Netzwerk, das Bäume und Pilze bilden, nennen Wissenschaftler inzwischen Wood Wide Web. Und wenn in einem Wald auch alte Bäume verbleiben, wachsen die Jungen besser. Es gibt also quasi eine soziale Waldgemeinschaft.