In drei Tagen auf dem Iller-Radweg von Ulm nach Oberstdorf
Ein Rad-Abenteuer in drei Etappen auf dem Illerradweg von Ulm nach Oberstdorf von Fräulein Draußen.
Ein Rad-Abenteuer in drei Etappen auf dem Illerradweg von Ulm nach Oberstdorf von Fräulein Draußen.
Entspanntes Radeln durch einige der schönsten Landschaften des Allgäus und Bayerisch-Schwabens. Mit bester Infrastruktur und genau der richtigen Mischung aus Natur, aber auch Kultur und Geschichte der Region: So habe ich mir den Iller-Radweg vorgestellt. Und genau das habe ich auf den drei Etappen und rund 150 Rad-Kilometern zwischen Ulm und Oberstdorf auch gefunden. Ein Radabenteuer, in meinem Fall mit Zelt und allem drum und dran, das gleichermaßen gemütlich und abwechslungsreich ist. Denn jede Etappe hat ihren ganz eigenen Charakter, und genau deswegen lohnt es sich auch sehr, wirklich den ganzen Radweg zu fahren und nicht nur einen Teil davon. Zumal es einfach ein besonderes Gefühl ist, am Ende der Tour am Iller-Ursprung zu stehen und zu wissen, welchen Weg das Wasser auf seiner Reise zur Donau nehmen wird.
Der höchste Kirchturm der Welt, die Flussmündung der Iller in die Donau, das Kloster Wiblingen – all das erwartet dich auf der ersten Etappe des Illerradwegs
Eigentlich wäre es ja ratsam, Radwege entlang von Flüssen mit der Fließrichtung, also flussabwärts, zu radeln. Zumindest, wenn man sich das Leben nicht unnötig schwer machen will! Denn dann geht es immer ein kleines bisschen bergab, auch wenn man das vielleicht so richtig bewusst oft gar nicht merkt. Ich hingegen starte meine Tour auf dem Iller-Radweg in Ulm. Dort, wo die Iller nach 147 Kilometern in die Donau fließt, und mit ihr gemeinsam weiter bis ins Schwarze Meer. Für meine Reiserichtung gibt es aber einen ziemlich guten Grund, für den ich auch gern ein paar extra Höhenmeter in Kauf nehme: Ich will, sobald sie in Sicht kommen, keinen Blick auf die Berge verpassen.
Als ich mein Fahrrad aus dem Hauptbahnhof in Ulm schiebe, sind die Berge allerdings noch in weiter Ferne. Dafür fällt mein Blick bald schon auf eine andere, ziemlich eindrucksvolle Erhebung: das berühmte Ulmer Münster, welches sich ganz in der Nähe des Hauptbahnhofs befindet. Und das ist nicht nur irgendeine Kirche, sondern die mit dem höchsten Kirchturm der Welt! Ich betrachte das imposante Bauwerk von allen Seiten, schiebe mein Rad durch die schmucken Gassen der Ulmer Altstadt und mache eine Kaffeepause an der alten Stadtmauer. Eigentlich gäbe es in Ulm noch viel mehr zu entdecken, und man sollte auf jeden Fall ein bisschen Zeit für die Stadt einplanen. (Das Rad inklusive Gepäck kann man dafür übrigens sicher im „Radhaus“ beim Ulmer Rathaus in einer Box deponieren.) Ich entscheide mich allerdings für einen sehr verkürzten Stadtrundgang und verzichte auch auf die Besteigung des Kirchturms. Für den Nachmittag sind nämlich Gewitter vorhergesagt und ich will nicht allzu spät losrollen.
Gesagt, getan! Unweit des Zentrums von Ulm treffe ich auch schon auf die Flussmündung, und damit auf den offiziellen Startpunkt des Iller-Radwegs. Auf der ersten Etappe verläuft dieser größtenteils auf gut ausgebauten Schotterwegen direkt entlang des Flusses, ohne großartige Höhenmeter oder andere Schwierigkeiten. Es ist Radfahren, wie es entspannter kaum geht. Durch Wälder und über Wiesen, die ruhig dahinfließende Iller fast immer im Blick. Ich genieße die langsam an mir vorbeiziehende Landschaft, das Geräusch der Reifen auf dem Schotter, das gleichmäßige Kurbeln. Für mich ist es manchmal gerade diese fast schon monotone Gelassenheit, die ich am Radfahren besonders mag.
Für Abwechslung ist am Iller-Radweg aber trotzdem gesorgt: Manchmal liegt sie direkt am Weg, wie zum Beispiel das Kloster Wiblingen mit seiner spätbarocken Basilika und einem prächtigen Bibliothekssaal im Rokoko-Stil. Manchmal muss man aber auch einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, zum Beispiel für den Kirchturm von Dietenheim mit seinen fünf Spitzen. Auf viele Besonderheiten entlang des Weges weisen in regelmäßigen Abständen Infotafeln hin, was sehr praktisch ist. Vor allem auch für jemanden wie mich: Ich lasse mich auf meinen Touren gern treiben, plane nicht allzu viel voraus, und gucke einfach unterwegs, was passiert und sich ergibt. Auf dem Iller-Radweg funktioniert das richtig gut.
Vorgebucht habe ich allerdings mein Plätzchen auf dem Campingplatz Christophorus bei Kirchberg. Sicher ist sicher, immerhin ist so langsam Hochsaison in Bayerisch-Schwaben und im Allgäu. Auch wenn ich auf dem Iller-Radweg an diesem Tag gar nicht so viel davon bemerkt habe. Hier und da bin ich ein paar anderen Wanderern oder Radfahrern begegnet, oft aber auch über längere Strecken niemandem. Direkt neben dem Campingplatz gibt’s übrigens einen schönen kleinen Badesee. Und überhaupt findet man entlang des Iller-Radwegs immer wieder hervorragende Möglichkeiten für eine kleine Badepause. In den Sommermonaten sollte man daher unbedingt auch Badesachen in die Radtaschen packen – und am besten keine allzu langen Etappen planen. Theoretisch könnte man den Iller-Radweg auch in zwei Tagen fahren, oder besonders sportlich sogar in einem. Aber dann würde man vieles von dem verpassen, das den Radweg erst besonders macht.
Gesäumt von Bäumen und über die sanfte Hügellandschaft des Allgäus passierst du viele naturgeschaffene Sehenswürdigkeiten.
Nach einem ausführlichen Frühstück am campingplatzeigenen Kiosk starte ich gemütlich in den zweiten meiner drei Tage auf dem Iller-Radweg. Der Fluss fließt so entspannt wie ich, von einigen Staustufen mal abgesehen. Die ersten Kilometer geht es vorwiegend durch schattige Wälder direkt am Iller-Ufer entlang, bis ich einen kleinen Abstecher nach Buxheim mache. Hier befindet sich eine Klosteranlage der Kartäusermönche - „Kartause“ genannt, die man auch von innen besichtigen kann.
Von Buxheim aus fahre ich vorbei am sehr schön im Wald gelegenen Badesee noch etwas weiter weg vom eigentlichen Iller-Radweg. Es fühlt sich fast ein bisschen abenteuerlich ein, so auf eigene Faust ins Unbekannte aufzubrechen, nachdem ich mich bisher (fast) ganz ohne nachzudenken an der Beschilderung orientieren konnte. Aber: Das Allgäu ist ja dann doch nicht ganz Alaska, und das weitläufige Netz aus Radwegen und Radrouten bestens beschildert. Wie zum Beispiel auch die Radrunde Allgäu, eine knapp 500 Kilometer lange Fahrradroute, die quasi einmal rund um das Allgäu führt. Der Iller-Radweg schneidet die Radrunde im Norden und Süden und dient somit als Verbindungsweg. Man kann so die Radrunde entweder verkürzen oder den Iller-Radweg verlängern. Letzteres ist meiner Meinung nach eine ziemlich gute Idee, denn eigentlich ist man nach den drei Tagen ja erst so richtig aufgewärmt!
Die Stadt Memmingen ist der nördlichste Punkt der Radrunde Allgäu und vom Iller-Radweg aus mit einigen Kilometern Umweg zu erreichen. Hier verlasse ich auch endgültig die Region Bayerisch-Schwaben, denn Memmingen trägt den Beinamen „Tor zum Allgäu“. Und was für ein Tor das ist! Am historischen Marktplatz reiht sich ein prächtiges Haus mit bunter Fassade an das nächste. Besonders stechen das strahlend weiße Rathaus, das Steuerhaus mit seinen markanten Arkaden und die stattliche Großzunft der Patrizier ins Auge. Daneben gibt es viele weitere Bürger- und Patrizierhäuser, die über Jahrhunderte hinweg erhalten bzw. aufwendig restauriert werden konnten. Ich schlendere durch die kleinen Gassen der Altstadt, vorbei an Kirchen, Cafés und Geschäften, und stelle fest, dass der Umweg sich auf jeden Fall gelohnt hat.
Irgendwann ruft aber die Iller wieder nach mir, und ich mache mich auf den Rückweg zu ihrem Ufer. Dort werde ich allerdings nicht mehr lange bleiben, denn bald schon verlässt der Iller-Radweg seine Namensgeberin und führt etwas abseits über die sanften Hügellandschaften des Allgäus.
Die Iller selbst ist auf diesem Abschnitt oft von steileren, bewaldeten Hängen gesäumt und man bekommt sie daher nur noch selten zu Gesicht. Wenn doch, dann aber besonders eindrucksvoll: Insbesondere von der historischen Illerbrücke bei Illerbeuren aus, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut und erst kürzlich aufwendig saniert wurde. Und natürlich vom Illerdurchbruch aus! Dort, wo die Iller sich einst mit all ihrer Kraft einen Weg durch die Gesteinsmassen gebahnt hat und nun rund 60 Meter unter dem Aussichtspunkt fließt. Zwischen diesen beiden Punkten liegen die für das Allgäu so typischen grünen, wellige Landschaften mit kleinen Orten, großen Kirchtürmen, allerlei Kühen und den dazugehörigen Bauernhöfe – und einer Zeit, die gefühlt ein wenig langsamer ticket als anderswo. Besonders langsam scheint sie im Bauernhofmuseum von Illerbeuren zu vergehen. Etwas südlich von Memmingen kann man hier in das vergangene Zeiten des alten Schwabens und Allgäus eintauchen. Mehr als 30 historische Gebäude wie Höfe, Ställe und Werkstätten auf dem Gelände des Freilichtmuseums sind zu besichtigen. Es ist eines der ältesten im süddeutschen Raum, und liegt direkt am Iller-Radweg.
…das tut auch mein Zeltplatz für diese Nacht. Den habe ich dieses Mal nicht auf einem Campingplatz gebucht, sondern über die (relativ neue) Plattform mycabin.eu: Hier können private Gastgeber naturnahe Stellplätze für Zelte und Camper inserieren, wie zum Beispiel eine ungenutzte Wiese hinter dem Haus. So kann man abseits jeglichen Trubels eine Nacht in der Natur verbringen und dabei trotzdem ganz legal und umweltverträglich unterwegs sein. Für Radreisende auf dem Iller-Radweg, die ein Zelt dabei haben, eine ziemlich tolle Sache.
Die Alpen immer im Blick radelst du über eine geschichtsträchtige Stadt zum Ursprung der Iller nach Oberstdorf. Dem Ziel der Reise.
Kurz hinter Altusried, wo ich mein Zelt für Nacht aufgeschlagen habe, trifft der Radweg wieder auf die Iller, nachdem er sie am Vortag auf großen Teilen nur hier und da gestreift hat. Auf den ersten Kilometern meiner dritten Etappe auf dem Iller-Radweg gibt es einige Kiesufer, die perfekte Badestellen abgeben. Theoretisch zumindest, denn als ich dort bin, ist der Wasserstand der Iller so hoch, dass vom Kies nicht mehr viel zu sehen ist. Es hat viel geregnet die letzten Tage, dadurch ist auch das sonst hier oben normalerweise schon eher klare und blau schimmernde Wasser dunkel und braun gefärbt. Immerhin: Die Iller ist nirgendwo über die Ufer getreten, und der Radweg von einigen Stellen der schlammigeren Sorte trotz der Regenfälle gut befahrbar. (Hinweis: Auf einem naturnahen Flussradweg wie dem Iller-Radweg muss man theoretisch immer auch mal mit Umleitungen rechnen, vor allem auch im südlicheren Teil, wo der Radweg nicht so viel auf erhöhten Damm- und Uferwegen verläuft.)
Die ersten Kilometer habe ich ihn oft ganz für mich allein und kann den sonnigen Morgen in aller Ruhe genießen. Es ist warm, die Vögel zwitschern, ich freu mich auf die ersten Bergblicke… und zuvor auf einen großen Cappuccino in Kempten.
Im Gegensatz zu Memmingen liegt Kempten direkt an der Iller - und damit auch am Illerradweg. Man kann die Stadt somit nicht verpassen. Gemeinsam haben die beiden Städte ihre vielen wunderschönen, historischen Bauwerke. Kempten ist sogar eine der ältesten Städte Deutschlands! Ihre Geschichte reicht weit zurück bis in vorrömische Zeiten. Die Wahrzeichen der Stadt sind die barocke Basilika St. Lorenz auf dem Residenzplatz und die St.-Mang-Kirche. Daneben gibt es viele weitere sehenswerte Gebäude, Geschäfte, Cafés und natürlich auch zahlreiche Museen. Und weil ein vollbepacktes Fahrrad im Museum sich nicht ganz so gut macht: Direkt am Iller-Radweg gibt es in Kempten mit der Bikebox eine Möglichkeit, Rad und Gepäck diebstahlsicher zu verstauen. Und das sogar kostenlos (gegen Pfand)! So kann man sich in aller Ruhe und mit freien Händen auf Stadterkundung begeben.
Irgendwann etwas hinter Kempten ist er da: Der erste richtige Blick auf die Berge. Und damit der Hauptgrund, warum ich den Iller-Radweg mit rund 300 Extra-Höhenmetern flussaufwärts fahre und nicht umgekehrt. Nach und nach sind immer höhere Gipfel zu erkennen, und fast hinter jeder Kurve wartet ein neues Panorama. Es ist ein ganz neues Fahrgefühl! Auch weil die Iller selbst immer wilder wird, je weiter man sich ihrem Ursprung nähert. Früher war die Iller, wie viele andere Flüsse auch, ein weit verzweigter Wildfluss in einem bis zu 500 Meter breiten Flussbett. Eine wilde Landschaft aus Kies, die von jedem Hochwasser neu geformt wurde. Um landwirtschaftliche Flächen zu schaffen bzw. zu schützen hat man ab 1900 damit begonnen, den Fluss zu begradigen, wodurch die Iller ihre heutige Form erhalten hat. Heute gibt es an einigen Abschnitten der Iller wieder aufwendige Renaturierungsmaßnahmen, die die damaligen Veränderungen teilweise rückgängig machen sollen. Vereinfacht gesagt wird dem Fluss durch Rodung und Verbreiterung des Flussbetts mehr Platz gegeben, sodass er seine ursprüngliche Landschaft selbst wieder herstellen kann. Das hat auch zur Folge, dass auf diese Landschaft spezialisierte Pflanzen und Tiere – wie zum Beispiel der Flussregenpfeifer, der direkt auf den Kiesbänken brütet – sich wieder ausbreiten können. Auch die Gefahr für Hochwasser soll so verringert werden.
Je näher ich den Bergen komme, desto belebter wird der Radweg. Aber kein Wunder: Es ist Hauptsaison, Oberstdorf und Umgebung dank der Lage nah an den Bergen ein beliebtes Reiseziel, und das Wetter könnte besser nicht sein. Es herrscht richtige Urlaubsstimmung an der Iller, und das ist ansteckend. Aber je traumhafter die Bergblicke werden, desto mehr wird mir auch bewusst, dass mein „Urlaub“ bald vorbei ist, denn es kann nicht mehr weit sein bis zum Ursprung der Iller kurz vor Oberstdorf.
Der Oberstdorfer Künstler Walter Kalot hat extra für diesen Platz das Kunstwerk namens "Illerursprung" geschaffen. Drei Frauenkörper aus Bronze liegen horizontal übereinander und strecken ihre Köpfe und Arme flussabwärts in Richtung Mündung. Sie symbolisieren die Trettach, die Stillach und die Breitach, die an dieser Stelle zusammenfließen und die Iller bilden. Ein schöner Anblick – das Kunstwerk, und auch die Bäche, weil jeder von ihnen eine etwas andere Wasserfarbe hat. Unweigerlich macht sich feierliche Stimmung breit, und auch ein wenig Wehmut, denn hier endet mein Radtour auf dem Iller-Radweg, die vor drei Tagen an der Mündung in die Donau begonnen hat. Auf den letzten Kilometern zu meiner Unterkunft in Oberstdorf werden die Gewitterwolken über den Bergen immer dunkler. Vielleicht regnet es schon, irgendwo dort oben in den Gipfeln. Vielleicht landet der ein oder andere Tropfen dann in einem der Zuflüsse der Iller – und fließt schon wenig später mit ihr in Richtung Donau.
Unterwegs aus dem Iller-Radweg
Das Ulmer Münster
Ulmer Altstadt - Fischer- und Gerberviertel
Blumenwiese am Iller-Radweg
Eine Schwemmholzsäule am Iller-Radweg
Unterwegs auf dem Iller-Radweg
In Memmingen
Die Kirche Sankt Nikolaus bei Kardorf
Eine Kuh am Radweg
Der Illerdurchbruch bei Altusried
Zelten am Iller-Radweg - Natürlich auf ausgewiesenen Plätzen
Die Basilika Sankt Lorenz in Kempten
Auf dem Iller-Radweg kurz vor Oberstdorf
Bergblick am Iller-Radweg im Oberallgäu
Alpenpanorama am Iller-Radweg
Die Beschilderung des Iller-Radwegs
Der Illerursprung bei Oberstdorf