„Dieses Großprojekt war der Wendepunkt für unser Architekturbüro, weil wir nach dem Auftrag unsere Fühler nach weiteren Umbauten von Sportstätten ausstreckten. Mittlerweile machen die Planungen von Schanzen 65 bis 70 Prozent unseres Auftragsvolumens aus“, erzählt der 54-Jährige. „Wir sind ein kleines Architekturbüro aus dem Allgäu. Trotzdem sind wir das Büro, das bei Schanzen die meisten Umbau- und Neubauprojekte vorweisen kann“, erzählt er.
Eine Schanzenplanung ist immer eine große Herausforderung. „Man will ja den Athleten ein gutes Sportgerät hinstellen, das den meisten gerecht wird. Also haben wir die Profis, Trainer und die Betreiber gefragt. Das war anstrengend, weil in den Antworten viel persönliche Theorie, aber kaum handfeste Analyse enthalten war. Die Aussage, mit der wir am wenigsten anfangen konnten, war von einem österreichischen Spitzenskispringer. Der meinte auf die Frage, was eine gute Schanze ausmacht: ‚Wenn I drauf g`winn isse guat, wenn net, isse scheiße‘, erzählt er und lacht.
Mehr Sicherheit durch ausgeklügelte Schanzenplanung
Das Architekten-Team hat die Herausforderung in der Audi-Arena gut gemeistert. „Die Sportler nehmen diese Schanze gut an. Mit Sportlern meine ich nicht nur die Profis, sondern auch beispielsweise die Youngsters. Diese Schanze führt den Nachwuchs an die großen Weiten mit wenig Angst heran, weil der Schanzentisch bei der Normalschanze zum Beispiel nur 2,20 Meter hoch ist. Der Absprung ist deshalb fast für jeden versierten Springer gut zu meistern. Das Thema Sicherheit für den Sportler haben wir also top umgesetzt“, sagt Renn.
Auch die Untertunnelung der kleineren Schanzen in der Audi-Arena ist ein weiteres Beispiel für das Streben nach mehr Sicherheit - für alle Beteiligten. Der Tunnel verläuft unter der den kleineren Schanzen „HS 60“, „HS 40“ und „HS 20“. Hier ist vor allem der Nachwuchs aktiv. Früher erreichten die Skispringer diese Schanzen nur, indem sie den Auslauf, also die Arena, zu Fuß durchquerten. Mit dem Tunnel ist die Gefahr von Kollisionen seit dem Umbau 2005 um ein Vielfaches verringert.
Hans-Martin Renn ist seit 2013 außerdem beim Internationalen Skiverband FIS chairman des im „sub-commitee for ski jumping hills“. So hat er einen guten Einblick in die Entwicklung des Sports. Springer und Flieger benötigen zum Beispiel einen immer kürzeren Anlauf, weil die Ski, die Anzüge und auch die körperliche Fitness der Sportler immer besser wird. Das muss man bei einem Umbau mit einberechnen. „Konkret bedeutet das, dass es genug Startstufen nach unten auf der Schanze hin geben muss. Ich werde ja bei Skisprung- oder Skiflugveranstaltungen total nervös, wenn beispielsweise von Startstufe zwei gestartet wird. Das bedeutet, dass die Stufen langsam ausgehen könnten. Dieses worst-case-Szenario muss mein FIS-sub-Committee frühzeitig abwenden. Wir ändern in einem solchen Fall die Normen, damit am Ende alle Beteiligten zufrieden sind“, sagt er.
Umbau der Heini-Klopfer-Skiflugschanze
Besonders stolz ist Hans-Martin Renn auf die Modernisierung der Heini-Klopfer-Skiflugschanze in Oberstdorf. „Es gibt nur fünf Skiflugschanzen auf der ganzen Welt. Es ist also was ganz Besonderes, an solch einem Projekt mitzuwirken. Dazu kommt noch, dass es eine Skiflugschanze in meiner Heimat ist. Ich war vor einem Premierensprung nach dem Umbau noch nie so aufgeregt, wie bei der Skiflugschanze in Oberstdorf. Ich hatte wirklich Kribbeln im Bauch bevor Karl Geiger flog und auch noch währenddessen“, erinnert er sich. „Das Projekt war außerdem besonders spannend, weil wir zeitlich unter großem Druck standen, das Wetter in diesem Jahr oft nicht mitspielte und wir uns in der Planung sehr experimentell bewegt haben“, sagt Renn.
Ob er auch mal das Skispringen oder das Skifliegen ausprobiert hat oder noch ausprobieren will? „Ein klares Nein“, antwortet der Architekt und abschließend sagt er lachend: „Ich bin kein ‚Eddy the Eagle‘ und mit meinen 54 Jahren ‚bitzelt‘ es mich auch nicht mehr.“